Botta Uno Automatik 44 vs. MeisterSinger No. 3

Solo für zwei

Oktober 2023. Uhren haben normalerweise zwei Zeiger, meist sogar drei. Menschen, die sich dem Diktat der Minuten und Sekunden nicht beugen, aber trotzdem wissen wollen, wie spät es ist, reicht dagegen ein Stundenzeiger. Wir haben beide wichtigsten Hersteller von Einzeigeruhren zur «Probezeit» eingeladen.
Probezeit MeisterSinger No. 3, Botta Uno

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Der Uhrenfan auch. Für ihn muss eine Uhr mindestens zwei Zeiger haben, besser mehr. Viel mehr, würden Chronographenfans sagen. Aber es geht auch anders – mit nur einem Zeiger. Und das atmet Geschichte, denn die ersten mechanischen Uhren hatten in aller Regel nur einen Stundenzeiger. Erst im Laufe des 17. Jahrhunderts tauchten die ersten Uhren mit Minutenzeigern auf – zunächst aber nur mit Viertelstunden-Markierungen auf dem Zifferblatt.

Unser Schweizer Kollege und ARMBANDUHREN-Autor Timm Delfs weiß: «Minuten sind ein relativ junges Phänomen.» Jedenfalls kamen die ersten Uhren mit einer 60-Minuten-Teilung auf dem Zifferblatt im 18. Jahrhundert auf. Wann genau, darüber streiten sich die Gelehrten. Die Minutenanzeige half insbesondere professionellen Anwendern wie Ärzten, Astronomen, Richtern oder Anwälten. Im Übrigen verabredeten sich Menschen zur vollen, zur halben oder vielleicht noch zur Viertelstunde.

Und das ist auch heute oft noch so. So scheint es mehr als konsequent, dass Klaus Botta, der als Pionier der Einzeiger-Armbanduhr gilt, den Minutenzeiger wieder wegließ. Er sieht diese rudimentäre Zeitanzeige als «Statement der Gelassenheit». Manfred Brassler, Gründer von MeisterSinger und einst Weggefährte von Botta bei der Uhrenmarke Watch People (nicht zu verwechseln mit der heutigen Marke dieses Namens), teilt diese Einschätzung: «Die Einzeigeruhr bringt die Zeit buchstäblich auf den Punkt. Sie ist ein Symbol für den Moment und ein Zusichkommen.»

Erster Eindruck

Martin Häussermann: Ring frei für die «Probezeit». Stopp! Das Kampfgericht beim Boxen könnte mit Einzeigeruhren nichts anfangen, denn die Ringrichter müssen die Rundendauer von drei Minuten und die eine Minute Pause zwischen den Runden exakt abstoppen. Wir haben hier keine Sportuhren und auch keine Sportleruhren. Aber ich bin Sportler und tue mich mit dieser Anzeigeform zunächst einmal schwer. Andererseits: Wann muss man schon mal die Zeit auf die Minute genau wissen? Noch nicht einmal als Kunde der Deutschen Bahn. Da geht die Einzeigeruhr, die man auf fünf Minuten genau ablesen kann, als Hochpräzisionsinstrument durch.

Meist will man ja auch nicht die exakte Uhrzeit, sondern nur eine Tendenz wissen, weshalb viele Menschen fragen: Wie spät ist es? Zur Beantwortung dieser Frage genügen unsere Kandidaten vollauf. Dabei unterscheiden sie sich in ihrem Auftritt deutlich: MeisterSinger setzt auf klassische Uhrengestaltung, die sich in der Gehäuseform und Konstruktion – dreiteilig aus unterschiedlich finissiertem Edelstahl – ebenso widerspiegelt wie auf dem elfenbeinfarbenen Zifferblatt. Die Botta Uno jedoch ruft laut: Bauhaus! Kein Wunder, hat Klaus Botta doch Industriedesign und Produktgestaltung an der Offenbacher Hochschule studiert, einer Institution, die sich als direkte Nachfolgerin des Bauhaus versteht. Entsprechend modern oder, besser gesagt, zeitlos gibt sich das – ebenfalls dreiteilige – Titangehäuse.

Erstmals steht das Firmenlogo oben auf einer Uno.
Das Zifferblatt ist optisch sehr ausgewogen. Einstellige Ziffern bekommen eine vorangestellte Null.

Peter Braun: Ich bin ja schon zu Zeiten der alten «Watch People» mit dem Thema Einzeigeruhr in Berührung gekommen und habe den Werdegang der Marke MeisterSinger aufmerksam verfolgt. Mit deren Gründer Manfred Brassler habe ich mehrfach über den Wert der Zeit philosophiert und meine privat getragene Einzeigeruhr gegen die Spötteleien meiner Zeitgenossen verteidigt. Mein Tagesablauf ist nicht auf die Minute genau getaktet, insofern reicht mir die näherungsweise Anzeige der Uhrzeit völlig aus. Fünf Minuten lassen sich auf den Zifferblättern beider Uhren sehr exakt ablesen, dafür sorgt die Einteilung in 144 Fünf-Minuten-Schritte, die sinnvollerweise alle Viertelstunde einen längeren Strich aufweist. Das Ablesen der Uhrzeit «aus den Augenwinkeln» ist nach kurzer Gewöhnung problemlos möglich.

Perlgestrahlte Werkteile und feine Lasergravuren auf dem Rotor passen bestens zur Uno.
Die schmuckvolle klassische Finissierung des Sellita-Kalibers harmoniert ebenfalls mit dem Gesamtcharakter der No. 3.

Tragegefühl, Bedienung, Ablesbarkeit

MH: Die Uno ist ein echter Armschmeichler, die man schon kurz nach dem Anlegen nicht mehr spürt. Das liegt zum einen am für eine Automatik sehr niedrigen Gesamtgewicht von 53 Gramm, zum anderen an der speziellen Gehäusekonstruktion. Der Boden ist rechts und links angeschrägt, sodass nur noch ein recht schmaler Sattel Kontakt zur Haut hat. So drückt auch die kantige Krone nicht auf den Handrücken. Integrierte Bandanstöße sorgen dafür, dass die Uhr sauber aufliegt und nicht die geringste Kippneigung zeigt. Das handschuhweiche Lederband, das sich druckfrei ans Handgelenk schmiegt, tut ein Übriges. Das Band ist übrigens pflanzlich gegerbt und macht Allergikern damit ebenso wenige Probleme wie das dreiteilige Titangehäuse. Konsequent.

Jedes der drei Gehäuseelemente ist aus einer unterschiedlichen Titanlegierung gefertigt, wie uns Klaus Botta verriet. Der Glasrand, mit dem man schon mal irgendwo hängen bleibt, sei besonders hart, das Mittelteil besonders zäh, der zentral verschraubte Boden mit Mineralglasfenster aus besonders reinem Titan gefertigt. Die Verwendung von drei verschiedenen Legierungen hat auch einen ganz praktischen Vorteil: Man bekommt die drei Elemente problemlos wieder auseinander. Bei der Verwendung gleicher Legierungen könnte nach längerer Benutzung das Phänomen der sogenannten Kaltverschweißung auftreten.

Allergiker freuen sich über das pflanzlich gegerbte Botta-Lederband samt Titan-Dornschließe.

MeisterSinger muss sich darüber keine Gedanken machen. Edelstahlteile lassen sich problemlos miteinander verschrauben – und wieder lösen. Die No. 3 gibt eben, ich sagte es schon, den Klassiker. In Sachen Ergonomie muss das kein Nachteil sein. Die Bandanstöße sind geschwungen und leicht nach unten gezogen, sodass auch hier nichts kippt. Allerdings ist das Band im oberen Drittel gedoppelt und damit am Anfang etwas steif. Man muss es schon ein paar Wochen tragen, damit es sich dem Arm anpasst. Erfreulich finde ich die Verwendung eines Bandes, das dank Schieberiegel im Bandstift werkzeuglos gewechselt werden kann.

Dennoch geht das Kapitel Tragekomfort für mich klar an die Uno. Bei der Ablesbarkeit bin ich unentschieden. Beide verwenden denselben Nadelzeiger mit einer Kappe zur Abdeckung der Zeigerachsen, die Zeiger ragen beide in die sauber gezeichneten Minuterien hinein. Nachtablesbarkeit ist bei beiden nicht gegeben.

Peter Braun: In Sachen Ablesbarkeit bin ich mit dem Kollegen einig: keine Kritik, außer der systembedingten. Mir gefallen besonders der schöne satte Zifferblattdruck der MeisterSinger und die Typografie der Stundenmarker. Marken- und Modellnamen sind in der Haustypo gehalten, doch verleihen die serifenlose Schrift und die vorangestellten Nullen der klassischen Uhr einen technischen Anstrich, wie bei einem alten Manometer oder einer Wasseruhr. Wie überzeugend und authentisch das wirkt, erkannte Manfred Brassler unter anderem daran, dass manche Kundenzuschriften mit den Worten beginnen: «Mein Vater hatte ja damals auch schon so eine MeisterSinger.» MeisterSinger wurde 2001 gegründet …

Bei der Uno fällt mir auf, dass erstmals bei dieser Modellreihe nicht mehr Uno Automatik, sondern Botta Automatik oben auf dem Zifferblatt steht. Als optisches Gegengewicht dient das Datumsfenster gegenüber. Ob man allerdings bei einer Einzeigeruhr eine Datumsanzeige benötigt, dessen bin ich mir nicht sicher. Passt irgendwie nicht zur Minimalismus-Ansage des Zifferblatts.

Beim Tragekomfort bin ich nach ein paar Tagen anderer Meinung als Martin. Das Rindlederband mit Krokoprägung, mit dem die MeisterSinger geliefert wird, war in der Tat anfangs sehr steif und damit erst einmal unbequem. Wenn es einmal «eingetragen» ist, gibt es allerdings nichts zu meckern. Das geprägte Band der Botta hingegen wirkt im Vergleich ein wenig labberig, dafür trägt sich die Uhr von Anfang an sehr angenehm.

Anfangs wirkte das Rindlederband steif, doch mit zunehmender Tragedauer wurde es bequemer.

Die rasiermesserscharfe Kante des Uno-Glasrings passt sehr gut zum modernen, nüchternen Design der Uhr. Bei der MeisterSinger ist der Übergang vom stark gewölbten Glas über die gerundete Lünette geradezu organisch, was hier ebenfalls sehr gut zum Charakter der Uhr passt. Die geriffelte Krone ist größer und mit den Fingern angenehmer zu manipulieren als die kleinere, kantigere und mit Kreuzhieb gerändelte Krone der Botta-Uhr. Aber wie mein Kollege bereits bemerkte, ist bei dieser Art Uhren die Versuchung gering, ständig nachregulieren zu wollen. Und schließlich ziehen sich beide automatisch auf.

Die Bandanstöße der Uno ragen nicht über das Gehäuse hinaus, die kantige Krone dagegen schon.

Technik, Ausstattung, Gang

PB: Womit wir schon beim Thema Technik wären. In Sachen Uhrwerke geben sich unsere Kandidaten nichts. Beide verwenden ein Sellita SW200-1 als Basis, die Finissierung ist aber unterschiedlich und dem Charakter der jeweiligen Uhr angepasst. MeisterSinger liefert geschliffene Werkbrücken, blaue Schrauben und einen individuellen Rotor, dessen Schwungmasse vergoldet und die Logogravuren mit Gold ausgelegt sind. Botta wählt analog zum Design und der gesamten Materialanmutung eine Variante mit seidenmatt perlgestrahlten Werkbrücken sowie einen schlichten Rotor mit individueller Lasergravur. Das einzige verspielte Element ist die Minuterie am Rand der Schwungmasse, analog zum Zifferblatt mit Fünf-Minuten-Unterteilung.

MH: Wir fragten uns ernsthaft, ob ein Test der Ganggenauigkeit bei einer Einzeigeruhr angemessen und sinnvoll ist. Schließlich singen beide Hersteller das hohe Lied der Entschleunigung, bei dem Sekunden und Minuten in den Hintergrund treten. Außerdem ist ein sekundengenaues Gangprotokoll am Arm in Abwesenheit eines Sekundenzeigers schlicht unmöglich. Doch immerhin handelt es sich hier um mechanische Uhren, die von Uhrmachern fertiggestellt und kontrolliert werden. Dazu gehört auch die Einregulierung des Uhrwerks. So haben wir auch dieses Mal unsere Zeitwaage Witschi Chronoscope S1 eingesetzt. Sie hat bei der MeisterSinger einen durchschnittlichen Vorgang von 6,1 Sekunden am Tag (s/d) ermittelt, bei der Botta gar nur + 0,3 s/d. Allerdings stellten wir hier beträchtliche Lagendifferenzen fest. Das dürfte wohl der Tatsache geschuldet sein, dass diese Uhr ein Nullserien-Modell ist und für unsere «Probezeit» schnell zusammengebaut wurde. In der Serienversion – voraussichtlich im September – erwarten wir angesichts der Akkuratesse, die Klaus Botta und sein Team sonst an den Tag legen, eine bessere Regulierung.

Die Oberfläche der MeisterSinger-Krone ist leicht bombiert, die Bänder lassen sich werkzeuglos wechseln.

Fazit

MH: Die anfangs geäußerte Kontaktscheu hat sich im Laufe der «Probezeit» zumindest teilweise gelöst. Im Alltag wäre die Einzeigeruhr sicher nach wie vor nicht die erste Wahl, für Urlaub oder Wochenende könnte ich mir sie aber vorstellen. Welche der beiden Kandidaten es nun werden würde? Da bin ich mir noch nicht sicher. Für die Botta sprechen das eigenständige Design und der mehr als angemessene Preis. Die MeisterSinger kostet immerhin 500 Euro mehr, punktet dafür aber mit klassischer Eleganz.

Peter Braun: : Ich finde Einzeigeruhren ein sehr interessantes Thema und freue mich immer über die Reaktionen meiner Mitmenschen. Die Ablesung ist absolut logisch und hinreichend genau, lediglich die vielen Zweizeigeruhren im öffentlichen Raum sorgen dafür, dass man immer mal wieder stutzt und kurz umdenken muss. Mir gefallen beide Uhren ausnehmend gut, meine Entscheidung würde aufgrund dessen wohl tagesformabhängig ausfallen: klassisch oder avantgardistisch?

Text: Peter Braun, Martin Häußermann

Bilder: Martin Häußermann

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