Die ersten Weltzeituhren wurden in den 1930er Jahren vorgestellt, als der moderne Flugverkehr das Reisen zwischen den Kontinenten innerhalb weniger Stunden ermöglichte. Der von dem Genfer Meisteruhrmacher Louis Cottier ersonnene Mechanismus wurde von Patek Philippe kontinuierlich weiterentwickelt und zeigt seit den 1950er Jahren die Weltzeitzonen und die dort herrschenden Ortszeiten mithilfe zweier konzentrischer Scheiben an: einer äußeren mit den Namen der Bezugsstädte für die 24 Zeitzonen und einer inneren mit 24-Stunden-Skalierung, optisch unterteilt in 12 Tag- und 12 Nachtstunden. An diesem klassischen Look hat sich in über 70 Jahren bis heute nichts Wesentliches verändert.
Bei der neuen Weltzeituhr mit der Referenz 5330G, die schon vor der Watches and Wonders letzten Sommer in Japan erstmals präsentiert wurde, ist nun noch eine Datumsanzeige hinzugekommen. Ganz diskret schmiegt sich ein Zahlenkranz mit 31 Ziffern an den Réhaut. Die Anzeige übernimmt ein hauchdünner Glaszeiger (!) mit einem roten Balken an der Spitze. Sein Antrieb aus der Mitte des Uhrwerks hat einen guten Grund, doch dazu gleich mehr.
Eine Datumsanzeige ist bei Weltzeituhren eher die Ausnahme, denn ihre Verstellung erfolgte bisher stets manuell. Auch als Patek Philippe 1999 mit der Referenz 5110 die Bedienung des Weltzeitmechanismus durch die simultane Korrektur-Schaltung von Hauptstundenzeiger, 24-Stunden-Scheibe und Zeitzonenscheibe vereinfachte, blieb die Datumsverstellung – bzw. die Datumsanzeige selbst – noch außen vor. Doch nun ist es den Genfer Ingenieuren und Uhrmachern gelungen, die Datumsanzeige mechanisch an die über der «12» angezeigte Ortszeit zu koppeln. Das bedeutet, dass sich das Datum gegebenenfalls in beide Richtungen – vorwärts oder rückwärts – verstellen lassen muss, je nachdem, ob man von Ost nach West reist oder beim Reisen nach Osten die Datumslinie mitten im Pazifik überquert und quasi einen Tag gewinnt – wie der eingangs erwähnte Phileas Fogg aus Jules Vernes Roman «In 80 Tagen um die Welt».
Ein Korrektur-Eingriff in Gegenrichtung zum normalen Lauf des Uhrwerks ist immer mit einem Risiko verbunden. Das neue Datumsanzeigemodul, welches das Automatikkaliber 240 HU C (für «Calendrier») vom konventionellen Weltzeit-Uhrwerk («Heures Universelles») unterscheidet, verfügt über ein Zentraldifferenzial, das die Drehrichtungsumkehr erst ermöglicht. Die Synchronisierung des Datums mit der Ortszeit geschieht über zwei konzentrische Sternräder. Wenn sich das äußere Sternrad mit größerem Durchmesser und 62 Zähnen im Uhrzeigersinn dreht, bewegt sich der Datumszeiger um einen Schritt im Uhrzeigersinn. Dreht sich das innere Sternrad mit 31 Zähnen im Uhrzeigersinn, bewegt sich der Datumszeiger um einen Schritt im Gegenuhrzeigersinn. Auf diese Weise ermöglicht jedes Betätigen des Drückers bei der «10» nicht nur die Korrektur der Ortsscheibe, der 24-StundenScheibe und des Stundenzeigers. Vielmehr bewegt sich – falls nötig – auch die Korrektur der Datumsanzeige vor- oder rückwärts.
Die Konstruktion des winzigen Differenzials – das Datumsmodul besteht aus 70 Einzelteilen und vergrößert die Werkhöhe lediglich um 0,7 mm – war die eine Sache, doch bei der «Programmierung» der Datumskorrektur stießen die Uhrmacher an die Grenzen der Logik: die Datumsgrenze. Letztlich konnten sie sich eine Besonderheit des Weltzeitzonen-Systems zunutze machen, über die sich bislang offenbar noch niemand Gedanken gemacht hatte.
Im Weltzeitsystem liegt die Zeitzone von Auckland (Neuseeland) 12 Stunden vor der Greenwich-Zeitzone mit dem Nullmeridian. «UTC +12» ist also die erste Zeitzone, die auf das neue Datum wechselt. Die benachbarte Zeitzone von Midway, eine amerikanische Inselgruppe im Nordpazifik, liegt hingegen 11 Stunden hinter der von Greenwich («UTC -11»). Sie ist demnach die letzte, die auf das neue Datum wechselt. Wenn man zum Beispiel westwärts von Midway nach Auckland reist, muss das Datum um einen Tag vorgestellt werden. Reist man aber von Auckland Richtung Osten nach Midway, muss das Datum um einen Tag zurückgestellt werden. Denn zwischen den Zeitzonen von Auckland und Midway verläuft die sogenannte «Datumsgrenze» – die übrigens nie durch internationale Verträge festgelegt wurde – auf dem 180. Längengrad inmitten des Pazifiks.
Und nun kommt der Clou: In der Zeit zwischen 11 und 12 Uhr mittags in London ist es in Midway zwischen Mitternacht und 1 Uhr morgens, in Auckland hingegen zwischen 23 Uhr und Mitternacht. Während dieser Stunde gilt auf der ganzen Erde dasselbe Datum.
Das Differenzial der Referenz 5330G kann auf diesen Umstand Rücksicht nehmen: Es lässt das Datum unverändert, selbst wenn man mit dem Drücker bei der «10» eine andere Zeitzone einstellt. Ohne dieses zentrale Differenzial erhielte die Uhr in dem Zeitraum, in dem weltweit dasselbe Datum gilt, beim Überschreiten der Datumsgrenze um Mitternacht zwei gegensätzliche Informationen zur Drehrichtung des Datumssterns – eine, um das Datum einen Tag vorzustellen, und eine, um es um einen Tag zurückzustellen.
Das patentierte Differenzial der neuen Weltzeituhr aus dem Hause Patek Philippe verhindert das unausweichliche Blockieren des Uhrwerks und ist somit die Grundvoraussetzung für das Einbeziehen der Datumsschaltung in die Zeitzonen-Schnellverstellung.
Die Weltzeituhr mit der Referenz 5330G in Weißgold kostet 75.320 Euro.
Text: Peter Braun
