Hinter den Kulissen: Audemars Piguet

Immer in Bewegung

Besuch in Le Brassus: Audemars Piguet ist eine der letzten großen Uhrenmarken in Familienbesitz. Ein Blick in die Werkstätten und Ateliers des Hauses.
Manufaktur Audemars Piguet in Le Brassus.
Historischer Eingang in die moderne Manufaktur von Audemars Piguet in Le Brassus.

Le Brassus ist «Audemars-Piguet-Land». Direkt an der Hauptstraße Route de France liegen gleich mehrere Gebäude. Da sind das frühere Haus der Familie Audemars aus dem 19. Jahrhundert und ein Bau, mit dem 1907 erstmals erweitert wurde. Nach hinten und zur Seite später mit weiteren Anbauten ergänzt, folgt schließlich ein großes, fast 20 Jahre altes Gebäude für Service und Logistik, das sich ebenfalls an der Route de France erstreckt.

Etwa fünf Minuten Fußweg entfernt im Tal befinden sich die jüngsten Räumlichkeiten des Unternehmens, die stattliche Manufacture des Forges, ein 2008 eingeweihtes, dreiflügeliges Gebäude. Und bald gibt es noch mehr Audemars Piguet in Le Brassus, denn die Präsenz der Marke in dem kleinen Jura-Dörfchen wird ständig größer: Gerade wird hinter dem Stammhaus an einem spektakulären Museum gearbeitet, der Rohbau steht schon. Gleichzeitig befindet sich nebenan ein Hotel im Bau.

Schließlich wären da noch ein paar Ateliers in Nachbarorten, eine Zweigniederlassung in Le Locle und die Gehäusefertigung der Tochterfirma Centror in Meyrin bei Genf. In Le Sentier befindet sich zudem eine CNC-Fertigung mit umfangreichem Maschinenpark. Dort werden nicht nur Komponenten gefertigt und veredelt, sondern auch Gehäuse automatisiert gedreht, gefräst und die Rohlinge weiterbearbeitet.

Ebenfalls in Le Sentier werden Zifferblätter hergestellt. Deshalb befindet sich dort eine Abteilung für Guillochage mit mehr als 25 der historischen und selbst aufgerüsteten Guillochiermaschinen, mit denen das typische Muster auf die Zifferblätter der klassischen Royal Oak automatisch aufgebracht wird. Die Vormontage der Uhrwerke erfolgt ebenfalls in Le Sentier, ein bisschen weiter unten im Tal werden Platinen und Brücken gefertigt.

Wie Anno Dazumal

Manufaktur Audemars Piguet in Le Brassus.
Blick in die Restaurierwerkstatt von Audemars Piguet. Hier werden historische Zeitmesser mit traditionellen Fertigungsmethoden aufgearbeitet.

Das Highlight der Uhrmacherwerkstätten ist das Atelier im derzeitigen Museumsgebäude in Le Brassus. Ganz oben, in einem holzvertäfelten Raum, sitzen drei Uhrmacher wie anno dazumal an Werktischen direkt am Fenster mit Blick auf die weiten Felder des Tals. Es ist der Raum, in dem die Gründer Audemars und Piguet einst selbst gearbeitet haben.

Heute ist hier die Restaurierwerkstatt untergebracht, in der historische Zeitmesser aus der Geschichte des Hauses aufgearbeitet werden. Dabei nutzt man die gleichen Werkzeuge wie früher und kann sogar auf historische Ersatzteile zurückgreifen, die in alten Behältnissen in Schränken lagern und als Vorlage dienen. Denn fehlende Teile werden anhand dieser Ersatzteile von Hand hergestellt.

Gewachsene Strukturen

Die Fertigung der neuen Uhren von Audemars Piguet folgt an den zahlreichen Standorten einer eigenen Logik, der ein Besucher nicht wie auf einem Lehrpfad nachgehen kann. Stattdessen sind es Momentaufnahmen der Herstellung, die man beim Besuch in Le Brassus erlebt – und ganz viel Firmenphilosophie. Dazu zählt etwa die Auffassung, dass die traditionelle Uhrmacherkunst ebenso wertgeschätzt wird wie moderne Hochtechnologie. Und auch, wie wichtig man die Rolle als Familienunternehmen nimmt.

Immerhin hat es Seltenheitswert, dass Nachkommen von zwei Gründerfamilien auch nach mehr als 140 Jahren noch über die Mehrheit des Aktienkapitals verfügen und im Unternehmen aktiv sind. Mittlerweile steht die vierte Generation in der Verantwortung: Jasmine Audemars, Urenkelin des Gründers Jules Louis Audemars, ist Präsidentin des Verwaltungsrats; Olivier Audemars, Urenkel von Gründer Edward Auguste Piguet, ist als stellvertretender Verwaltungsratspräsident im Unternehmen tätig. Mit dieser Tradition hat die Luxusuhrenmanufaktur eine einmalige Stellung in der Schweizer Uhrenindustrie.

Manufacture des Forges von Audemars Piguet in Le Brassus.
Seit 2008 Hauptproduktionsstätt von Audemars Piguet: die Manufacture des Forges in Le Brassus.

Insgesamt 40.000 Uhren werden pro Jahr von Audemars Piguet gefertigt. Eine Zahl, an der nicht gerüttelt wird: Höhere Stückzahlen wolle man auf keinen Fall herstellen, erklärt Olivier Audemars. Ein Großteil der Arbeiten wird dabei im eigenen Hause vorgenommen. Die Fertigungstiefe liegt bei rund 80 Prozent, erfährt man beim Rundgang.

Und auch, warum man nicht den falschen Ehrgeiz habe, noch mehr oder alles selbst herstellen zu wollen: «Wir machen nur das selbst, was auch Sinn ergibt», heißt es dazu aus der Manufaktur. Viel zu sehr schätzt man die Zusammenarbeit mit Zulieferern und das, was die jeweiligen Meister ihres Fachs an Neuem einbringen. Zu den im eigenen Hause ausgeübten Professionen zählt die Dekoration der Werkteile: In den Kalibern von Audemars Piguet ist jede einzelne Komponente von allen Seiten dekoriert. Im Mittelpunkt steht die traditionelle Finissage der Haute Horlogerie mit verfeinerten Oberflächen, traditionellen Schliffen und gebrochenen Kanten. Daneben gibt es Exotisches wie Lackeinlagen an Platinen, Brücken und Kloben oder schwarz PVD-beschichtete Kaliber.

Avantgardistisches Design

Royal Oak Automatik von Audemars Piguet
Die Royal Oak Automatik ist die klassische Variante der Ikone – mit typischem Grande-Tapisserie-Zifferblatt und dem Kaliber 3120.

Solch unkonventionelle Mechanik passt perfekt zu den oft ebenso unkonventionellen Uhren. Im Mittelpunkt der Kollektion steht das Erfolgsmodell Royal Oak, inzwischen knapp 47 Jahre im Programm. Die Lancierung der ersten Luxussportuhr mit Edelstahlgehäuse im Jahr 1972 war damals ein mutiger Schritt. Aber: Die Royal Oak wurde zum absoluten Erfolgsmodell der Manufaktur und beherrscht die Kollektion heute in vielfacher Ausführung.

Materialien von Gold bis Keramik tragen zur Vielfalt bei, die Integration von Komplikationen von Chronograph bis Tourbillon erweitert das Spektrum. Zum Nimbus der Royal Oak trug der 1993 vorgestellte Chronograph Royal Oak Offshore bei: Das Design wirkte noch sportlicher und maskuliner, zumal der Durchmesser auf damals exorbitante 42 Millimeter anwuchs.

Neben solch auffälligen Zeitmessern geben sie andere Linien weitaus zurückhaltender. Vor allem die klassische Jules Audemars, die einige Große Komplikationen wie Minutenrepetition und Sonnerie bietet, sowie ultraflache Modelle in schlichter Eleganz. Daneben gibt es die Linie Millenary mit einem querovalen Gehäuse und dezentralen Zifferblatt, neben dem die Unruh effektvoll inszeniert wird. Und nun ergänzt  auch noch die völlig neue Linie CODE 11.59 das Portfolio von Audemars Piguet mit einem klassischen Stil und sportlicher Attitüde.

Text: Iris Wimmer-Olbort

Fotos: Rainer Fromm, Hersteller

Historie und Heimat

1875 gründeten der damals 25-jährige Jules Louis Audemars in seinem Elternhaus in Le Brassus sowie der 22-jährige Edward Auguste Piguet ihr eigenes Unternehmen; 1881 unterzeichneten sie den Vertrag für die Firma Audemars, Piguet & Cie, Manufacture d’Horlogerie zur «Herstellung feiner und komplizierter Uhren unter Einbeziehung modernster Fertigungsmethoden», wie es in der Gründungsurkunde hieß.

Diesem Ziel blieb man treu, wie überlieferte Taschenuhren mit ewigem Kalendarium, Minutenrepetition oder Chronograph beweisen. Heute arbeiten für die Marke weltweit rund 1600 Mitarbeiter; davon ist knapp die Hälfte in der Schweiz beschäftigt, die meisten im Vallée de Joux.

Interview mit Olivier Audemars

Im Gespräch: der stellvertretende Verwaltungsratspräsident von Audemars Piguet

Neues von Audemars Piguet

Lesen Sie mehr über die neue Kollektion CODE 11.59

Die Manufakturreportage

Den ausführlichen Bericht zum Manufakturbesuch bei Audemars Piguet lesen Sie in Heft ARMBANDUHREN 7-2018

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