Frederique Constant Highlife Automatic vs. Seiko Presage Craftmanship

Für alle Fälle

August 2024. Sie sehen gut aus, passen zum Anzug ebenso wie zur Jeans, sind sauber verarbeitet und bieten tadellose Technik. Unsere aktuellen «Probezeit»-Kandidaten sind ideale Alltagsuhren – und für unter 2000 Euro zu haben.
Frederique Constant vs. Seiko
Weiß-Blau gibt’s nicht nur in Bayern, sondern auch in der Schweiz und in Japan.

Unser Besuch der Watches and Wonders hat Spuren hinterlassen. Und auch da und dort ein wenig Ärger. Da versuchen uns nicht wenige Luxus-Uhrenmarken glauben zu machen, dass für eine gute Uhr mit drei Zeigern mindestens ein hoher vierstelliger, wenn nicht gar fünfstelliger Betrag angemessen wäre. Doch das sind Marktpreise – also das, was Kunden weltweit für ein Produkt zu zahlen bereit sind. Die Begehrlichkeit bestimmt den Preis, nicht der Gegenwert. Die kaufmännische Aufschlagskalkulation – Gestehungskosten plus Gewinnmarge gleich Verkaufspreis – hat vielerorts ausgedient.

Aber glücklicherweise nicht überall. Das hat schon unsere letzte «Probezeit» gezeigt, in der wir schicke, solide Fliegerchronographen von Junghans und Sinn für unter 3000 Euro vorgestellt haben. Nun liegt die Schallmauer bei 2000 Euro. Ein Betrag, auf den man sparen kann – und für den man mehr erwarten darf als triste Einsteigerware. Das zeigen unsere Erfahrungen mit den beiden eleganten Stahlsportuhren von Frederique Constant und Seiko. Die Schweizer haben ihre Highlife Automatic COSC ins Rennen geschickt, die Japaner eine veredelte Variante der Presage.

Erster Eindruck

Martin Häussermann: Same, but different – so lässt sich unsere aktuelle «Probezeit»-Paarung charakterisieren. Vor mir liegen zwei Stahluhren mit Stahlband, Faltschließe, weißem Zifferblatt, blauen Zeigern und Datumsanzeige. Beide zeigen ihre Mechanik hinter einem Fenster im Boden. So weit die Gemeinsamkeiten. Doch in Charakter und Designidee liegen sie weit auseinander. Die Seiko erscheint auf den ersten Blick als Klassiker, der seine Verwandtschaft zur Laurel, der ersten Seiko-Armbanduhr, nicht verleugnen kann. Dazu trägt maßgeblich das weiße EmailleZifferblatt bei, das Meisterhandwerker Mitsuru Yokosawa und sein Team geschaffen haben.

Dass wir uns nicht falsch verstehen: Klassisch heißt nicht altmodisch. Statt geschwungener Ziffern markieren leicht erhabene Strichindexe die Zeitabschnitte, dazwischen erscheint die aufgedruckte Minuterie. Das Blatt weist eine seiner Materialgüte entsprechende Farbtiefe auf – baut aber auch verhältnismäßig hoch. Die Datumsanzeige scheint buchstäblich darin zu versinken. Die gesamte Uhr scheint auf Robustheit ausgelegt, davon zeugt auch das Gehäuse, das ob seiner Bauhöhe alles andere als filigran wirkt.

Das Zifferblatt sagt uns: Die COSC hat das Uhrwerk als Chronometer zertifiziert.
Das Zifferblatt sagt uns: Die COSC hat das Uhrwerk als Chronometer zertifiziert.

Obwohl in der Szene längst etabliert, ist Frederique Constant im Vergleich zu Seiko eine junge Marke. Das merkt man speziell der Modellreihe Highlife an, die einen modernen Designstil pflegt, wohlgemerkt aber keinen überkandidelten. Im Vergleich zur Seiko erscheint sie geradliniger, ohne aber übermäßig kantig zu wirken. Etwas Weltläufigkeit reklamiert sie aber schon für sich, was sich unter anderem im Zifferblatt äußert, bspw. durch einen eingeprägten stilisierten Globus. Die serifenlose Typografie zeugt von Sachlichkeit. Aufgesetzte Indexe, gefüllt mit Leuchtmasse, sowie Stabzeiger, ebenfalls mit Leuchtmasse ausgefüllt, komplettieren das Bild. Unterstrichen wird der moderne Ansatz durch das zeitgemäße Bandwechselsystem. Konsequenterweise wird ein zusätzliches Kautschukband mitgeliefert.

Peter Braun: Das Gehäuse der Seiko filigran zu nennen, wäre in der Tat ein Euphemismus. Dafür baut die Schale mit dem leicht gewölbten Saphirglas mit über 12 mm außergewöhnlich hoch, was wohl der wenig raumsparenden, aber robusten Konstruktion des neu konzipierten Kaliber 6R55A geschuldet ist. Dafür liegt sie dank ihrer schmeichelnden bombierten Rundungen an den Flanken und den kurzen Bandhörnern auch an schmalen Handgelenken ziemlich gut. Daran hat auch der steile Abfall der Bandenden maßgeblichen Anteil.

Probezeit Seiko Zifferblatt
Drei Tage oder 72 Stunden Gangautonomie sind enorm verbraucherfreundlich. Die Datumsscheibe liegt sehr tief.

Leider zeigt der verglaste Boden nicht den ganzen Werkdurchmesser, kaschiert dadurch aber gekonnt den breiten Werkhaltering. Außerdem handelt es sich beim Boden um ein recht krudes Stanzteil mit «rundgenudelten» Kanten. Die tief liegende Datumsanzeige ist mir auch sofort aufgefallen. Das verstärkt den Eindruck, dass das Datumsfenster fast etwas zu klein für die großen Ziffern geraten ist.

Das Highlife-Gehäuse von Frederique Constant ist unverkennbar Teil einer integrierten Konstruktion von Band und Schale. Auch wenn sich die bündig angepassten Bandanstöße des Gliederbandes nicht so steil abwinkeln lassen wie bei der Seiko, sind Tragekomfort und Sitz auch an schmalen Handgelenken tadellos. Die Schweizer Uhr wirkt nicht nur wegen der Globus-Prägung auf dem Zifferblatt einen Hauch moderner als die Japanerin, was auf die breiteren Indexbalken und die gerade geschnittenen Zeiger zurückzuführen ist. Beide Elemente sind mit Leuchtmasse belegt, was der Frederique Constant bei der Nachtablesbarkeit Vorteile verschafft.

frederique constant werk
Die Highlife bietet ein schön finissiertes Uhrwerk mit großer Unruh. Zu sehen ist hier auch das Schnellwechselsystem am Stahlband.

Tragegefühl, Bedienung, Ablesbarkeit

PB: Ich habe, wie langjährige «Probezeit»-Leser vielleicht wissen, ein vergleichsweise schmales Handgelenk. Das erwähne ich deshalb immer wieder, weil gerade große Uhren an meinen Handgelenken mitunter nicht stabil sitzen, sondern zum Kippen neigen. Daher kommen mir Uhren mit Durchmessern von 39 mm (Frederique Constant) oder gut 40 mm (Seiko) sehr entgegen, erst recht, wenn die Bandanstöße wie bereits beschrieben ausgeführt sind. Hat man die Gliederbänder auf die richtige Länge gekürzt, sitzen beide Uhren tadellos.

Was mich von Anfang an kolossal störte, war die Krone der Highlife. Sie ist nur sehr schwer mit den Fingernägeln zu greifen, es fehlt ein Kragen oder Ansatz. Außerdem ist sie irgendwie glitschig. Das macht das Zeigerstellen und den Handaufzug nach längerem Ablegen zum Kraftakt. Das geht mit der griffigen, konisch geformten Krone der Seiko deutlich einfacher. Dafür hakte bei der die Entriegelung der Faltschließe anfangs ein wenig, was sich nach einigen Tagen aber gab.

Seiko Werk
Die Presage gibt sich beim Werkfinish eher sparsam. Die Unruh erscheint vergleichsweise klein, Platz für eine etwas größere wäre wohl noch da gewesen.

MH: Mein Handgelenk ist eher durchschnittlich, aber eben etwas größer als das des Kollegen. Deshalb müssen wir beim Tausch der Uhren die Bandlängen anpassen. Bei Leder- und Kautschukbändern mit Dornschließe ist das gar kein Problem. Auch die meisten für diese Bänder gebauten Faltschließen ermöglichen eine unkomplizierte Längenanpassung. Das ist bei Stahlgliederbändern nicht so, erst recht dann, wenn sie über keine Längenfeinverstellung verfügen. Wie zum Beispiel bei unseren Testuhren.

Fairerweise muss man jedoch anmerken, dass man eine solche Feinverstellung in diesem Preissegment nicht erwarten kann. Solche Schließen sind relativ teuer und hätten die Kalkulation der beiden fair eingepreisten Kandidaten vermutlich über den Haufen geworfen. Käufer dieser Uhren sind gut beraten, sich die Bänder gleich beim Kauf vom Händler des Vertrauens anpassen zu lassen. Schließlich hat nicht jeder – wie wir in der Redaktion – das geeignete Werkzeug zur Hand. Und auch damit wird das Einsetzen der mehrteiligen Bandglieder leicht zum Geduldsspiel.

Gleiches gilt für den Bandwechsel, außer man verfügt über ein Schnellwechselsystem wie Frederique Constant. Das funktioniert vollkommen problemlos und hält sicher. Dazu benötigt man Daumen und Zeigefinger, um die beiden Schieber zu betätigen, sowie etwas Feingefühl, um das Bandende formschlüssig im Gehäuse zu versenken. Beide Bänder empfand ich als sehr angenehm zu tragen.

Schließe Frederique Constant
Die Doppelfaltschließe der Highlife trägt das Markenlogo, ist sauber gearbeitet und funktioniert tadellos.

Noch ein Wort zur Ablesbarkeit der Uhren. Die Frederique Constant hatte ich ja diesbezüglich schon gelobt. Allerdings dürfte der Minutenzeiger einen Tick länger sein, damit er in die Minuterie hineinragt. Ich weiß, dass ich in diesem Punkt pedantisch bin, aber so habe ich es halt mal gelernt. An der Seiko gibt es – zumindest bei Tag – nichts zu mäkeln. Die Zeigerlängen stimmen, und auch der Kontrast zwischen den blau lackierten Zeigern und dem weißen Emaille-Blatt ist mehr als ausreichend hoch. Allein bei Dunkelheit registriert man die Abwesenheit von Leuchtmasse. Das hätte aber auch nicht zum Stil der Uhr gepasst, temperaturgebläute Zeiger allerdings schon.

Technik, Ausstattung und Gang

PB: Die Presage hat das neue Kaliber 6R55A an Bord – mit 72 Stunden Gangreserve. Die entsprechen dem neuen Branchenstandard, weil sie die sogenannte «Weekend Autonomy» bieten. Man könnte also am Wochenende eine andere Uhr tragen und die Seiko am Montag wieder anlegen, ohne sie neu stellen zu müssen.

Das neue Standardwerk der mittleren Seiko-Preisklasse glänzt keineswegs mit aufwendiger Finissage oder gar Werkdekorationen. Die Gestellteile sind sauber geschnitten, aber nicht angliert, und der Strichschliff auf den Oberflächen wirkt eher technisch als elegant. Dafür verfügt sie über den Seiko-eigenen Magic-LeverKlinkenaufzug sowie eine Hemmung mit Anker und Ankerrad aus MEMS. Das ist ein Äquivalent der in der europäischen Uhrenindustrie gebräuchlichen LIGATechnik (lithogalvanische Abformung). Damit präsentiert sich das neue Kaliber technologisch auf der Höhe der Zeit.

Das Sellita SW200-1 ist ein in Details weiterentwickelter Klon des bewährten Traktors ETA 2824 und konzeptionell mit seinen robusten Verzahnungen und hohen Trägheitsmomenten in der Hemmung eigentlich nicht wirklich als Chronometer geeignet. Die in großen Stückzahlen ausgestellten Chronometerzeugnisse der COSC für diese Modellreihe von Frederique Constant zeugen jedoch von einer – gleichbleibend – hohen Verarbeitungsqualität bei Sellita.

Schließe Seiko
Die Seiko bietet eine einfache Faltschließe, die nach kurzer Eintragezeit gut funktionierte.

MH: Zu den Uhrwerken ist eigentlich alles Wesentliche gesagt, zu den Gangwerten noch nicht. Hier ergibt sich ein uneinheitliches Bild. An Peters Arm ging die Seiko gleichmäßig 3 bis 4 Sekunden pro Tag (s/d) ins Plus, gegen Ende der Tragezeit lag die PROBEZEIT Gangabweichung gar bei nahe null. An meinem Arm pendelte sie sich bei einem Vorgang von gut 3 s/d ein. Unsere Zeitwaage Witschi Chronoscope S1 ermittelte gar nur einen durchschnittlichen Vorgang von 1,8 s/d – allerdings auch eine enorme Lagendifferenz von 23 Sekunden mit einem starken Vorgang in den beiden flachen Lagen und Nachgang in den hängenden Lagen. Da mag die langsame Schwingfrequenz von 21.600 A/h eine Rolle spielen, doch ist hier in jedem Fall nochmals der Uhrmacher gefragt.

Das gilt auch für die Frederique Constant, allerdings dürfte er hier einfacheres Spiel haben, denn die Lagendifferenz von 6,6 Sekunden ist akzeptabel. Doch will ich keinen Chronometer haben, der nachgeht, auch wenn die Norm das erlaubt. An meinem Arm lief die Uhr mit knapp 5 s/d ins Minus, die Zeitwaage ermittelte -4,2 s/d. Am besten lief sie noch an Peters Arm, der im Abgleich mit der Funkuhr einen Nachgang von knapp zwei Sekunden pro Tag ermittelte.

Fazit

MH: Beide Uhren bieten unterm Strich sehr viel Uhr fürs Geld. Und wir haben hier nicht Äpfel mit Birnen verglichen. Die Frederique Constant kostet zwar 500 Euro mehr als die Seiko, doch relativiert sich der Mehrpreis durch das Bandschnellwechselsystem sowie die kostenlose Dreingabe eines blauen Kautschukbandes. Dieses Bandwechselsystem sowie der modernere Auftritt wären für mich Gründe, die Highlife zu kaufen.

PB: Auch wenn mir die Seiko anfangs etwas arg schlicht vorkam, bin ich doch im Verlauf der Tragezeit dem Charme des Emaille-Zifferblatts erlegen. Und auf Emaille gehören nun einmal keine Appliken, auch kantige Sportzeiger würden nicht zu diesem Gesicht passen. Bis auf das sehr klein geratene Datumsfenster habe ich letztlich nichts auszusetzen an dieser Presage aus der Craftmanship-Linie. Und selbst das sehe ich der Uhr nach, weil es mich bei jedem Blick an die Materialstärke des Emaille-Zifferblatts erinnert.

Text: Peter Braun, Martin Häußermann

Bilder: Martin Häußermann

Weitere Artikel aus der Rubrik «Probezeit»


Botta Uno Automatik 44 vs. MeisterSinger No. 3
Probezeit: Frederique Constant Monolithic vs. Grand Seiko Spring Drive
Sinn 103 St Sa vs. Junghans Pilot Chronoscope
Teilen
Ähnliche Artikel
Artikel teilen

Bitte wählen Sie eine Plattform, auf der Sie den Artikel teilen möchten:

Beitrag melden

Fehler: Kontaktformular wurde nicht gefunden.

xxx
Newsletter-Anmeldung

* Pflichtfeld

** Ja, ich möchte regelmäßig den Newsletter von armbanduhren-online.de, zum Thema Armbanduhren der Heel Verlag GmbH per E-Mail erhalten. Diese Einwilligung kann ich jederzeit per Mail an armbanduhren@heel-verlag.de oder am Ende jeder E-Mail widerrufen.Durch die Bestätigung des «Eintragen»-Buttons stimme ich zusätzlich der Analyse durch individuelle Messung, Speicherung und Auswertung von Öffnungsraten und der Klickraten zur Optimierung und Gestaltung zukünftiger Newsletter zu. Hierfür wird das Nutzungsverhalten in pseudonymisierter Form ausgewertet. Ein direkter Bezug zu meiner Person wird dabei ausgeschlossen. Meine Einwilligungen kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft wie folgt widerrufen: Abmeldelink im Newsletter; Mail an armbanduhren@heel-verlag.de. Weitere Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.