Citizen Series 8 vs. Tissot PRX Powermatic 80

Kantig und integriert

Oktober 2024. Zwar verschiebt sich der Einstiegsbereich für mechanische Armbanduhren stückchenweise nach oben, doch auch unter 1000 Euro gibt es noch Modelle mit Charakter – und dem gewissen Etwas.
Citizen vs. Tissot Probezeit

Die siebziger Jahre liegen voll im Trend, und die unsterblichen Leadermodelle der damaligen Designströmung setzen heute in der Luxusklasse Maßstäbe. Doch «integrierte» Edelstahlmodelle mit Gliederbändern gab es natürlich schon vor 50 Jahren auch von zahlreichen anderen Marken, die sich heute an ihre einstigen Erfolgsmodelle erinnern. So wie Tissot, die mit der Renaissance der PRX vor zwei Jahren einen Überraschungshit landete und nun die Bestseller-Modellreihe kontinuierlich ausbaut. Die japanische Marke Citizen muss ebenfalls in alten Katalogen gestöbert haben, bevor sie der Series 8 (eingeführt 2008) einen interessanten Retro-Look verpasst hat. Bezeichnenderweise sind beide «Probezeit»-Uhren Kinder des Quarzzeitalters, feiern ihre aktuellen Erfolge aber mit mechanischen Uhrwerken, die sie unter Glasböden stolz zur Schau stellen.

Erster Eindruck

Peter Braun: Die Citizen wirkt auf den ersten Blick wuchtiger, doch der Eindruck täuscht. In der Tat beträgt der Gehäusedurchmesser – ohne den aufgesetzten Kronen-Flankenschutz – bei beiden Uhren exakt 40 mm. Bei der Gehäusehöhe nimmt die Citizen der ach so zierlich wirkenden Tissot sogar einen halben Millimeter ab: 10,8 mm mit Glasboden sind wahrlich nicht überdimensioniert. Die Vermutung, dass unterschiedlich große Zifferblattöffnungen den Eindruck von Feinheit bzw. Massigkeit beeinflussen, bestätigte sich ebenfalls nicht, denn beide Uhren haben eine sogenannte «Zifferblatt-Schau» von knapp 33 mm.

Das Zifferblatt der Series 8 hat eine außergewöhnliche Struktur mit Farbverlauf.

Aus diesem Grund muss der Eindruck mit der Form und dem Volumen der beiden nicht runden Uhrengehäuse zusammenhängen. Die Tissot PRX hat ein ovales Mittelteil mit oben und unten gekappten Rundungen, wo sich breite, geradlinige Bandanstöße anschließen. Die Integration des Stahlbandes gelingt mit sich verjüngenden Gliedern – sechs an jeder Bandhälfte – schwungvoll und elegant, trotz des kantigen Grundthemas. Die PRX zeigt dem Betrachter rund ums Zifferblatt schon eine ganze Menge an strichgeschliffener Fläche, doch die polierte Lünette ist schmal und steil und lässt das Gehäusemittelteil umso flacher erscheinen.

Beim Zifferblatt der Tissot PRX geben sich weder der Designer noch der Hersteller eine Blöße. Das Waffelmuster ist perfekt geprägt, und auch die erhaben hervortretenden Schriftzüge sind makellos ausgeführt und an der Stirnfläche weiß bedruckt. Das Datumsfenster bei der «3» hat einen polierten Rahmen.

Das Zifferblatt der Citizen Series 8 hat ebenfalls eine sauber geprägte, interessant strukturierte Oberfläche, allerdings sind die Schriftzüge nur aufgedruckt. Der Stundenkranz ist ein separates Bauteil, das dicht über dem Zifferblatt zu schweben scheint – solche Zifferblätter hatten kurioserweise manche Tissot-PRX-Modelle in den siebziger Jahren. Die «hängenden» Indexmarker sind facettiert und poliert und tragen einen Klecks Nachleuchtmasse. Im Gegensatz zur Tissot verfügt die Citizen über eine Feinminuterie, ihre indexförmigen Zeiger sind facettiert und ebenfalls mit Nachleuchtmasse belegt.

Tobias Schaefer: Bei beiden Uhren sind die Armbänder auf den ersten Blick für den Charakter geradezu entscheidend. Das integrierte Gliederband hat sich zu einem Must-have in den Kollektionen der Uhrenmarken entwickelt, was zu einem immer größeren Angebot in diesem Stil geführt hat. Puristen wird darum wahrscheinlich das schlichte Gehäusedesign und lückenlos integrierte Band der PRX besser gefallen. Da ist die Citizen schon deutlich extrovertierter, und auch am Handgelenk wirkt das vom Kollegen angesprochene Gehäuse viel präsenter. Auch der Übergang zum Armband ist noch als solcher zu identifizieren.

Das Zifferblatt der PRX überzeugt mit seinem Waffelmuster im Stil der 1970er Jahre.

Bei den Mustern und der Farbgebung der Zifferblätter, die es bei beiden Kandidaten auch in anderen Varianten gibt, schätze ich besonders die geprägten Strukturen und die bereits angesprochenen Indexbalken. Solche Zifferblätter, besonders das der Citizen mit den schwebenden Stundenmarkern, erheben sich aus der schnöden Zweidimensionalität und steigern damit in meinen Augen ihre Wertigkeit ganz erheblich. Auch der Farbverlauf und der mattgrüne Glanz der Citizen sind wirklich ausgezeichnet gemacht. Bei Tissot dagegen hat man sich zusätzlich zum Waffelmuster auch für einen sehr dezenten Sonnenschliff auf den erhabenen Stellen entschieden. Für mich sind solche Details ausschlaggebend für eine schöne Uhr, auf der man gerne und häufig die Zeit abliest. Dass weder Tissot noch Citizen trotz knallharter Kalkulationszwänge in diesem Preissegment auf eine entsprechende Ausstattung verzichtet haben, verdient ein großes Lob. Auch der Einsatz von Nachleuchtmasse auf beiden Zifferblättern – bei Tissot in die polierten Stundenmarker und facettierten Zeiger eingelegt und bei Citizen neben den Zeigern in Form von rechteckigen Blöcken am äußeren Rand angebracht – fügt sich dezent in die Gestaltung ein.

Tragegefühl, Bedienung, Ablesbarkeit

PB: Die Citizen Series 8 hat ein markantes achteckiges Gehäuse mit vier Facetten in Richtung Bandanschlüsse, die sich mit ihren polierten Oberflächen vom strichgeschliffenen Finish der übrigen Gehäuseflächen abheben. Die ebenfalls polierte Lünette ist wesentlich breiter als bei der Tissot und verleiht dem metallenen Volumen der Uhr optisch mehr Gewicht.

Auf der Briefwaage lassen sich die Argumentationsversuche nicht nachvollziehen: Zwar bringt die Citizen insgesamt ein paar Gramm mehr auf die Waage (158 gegen 140 g), doch sie sind in erster Linie dem massiveren Gliederband zuzuschreiben. Betrachtet man die Uhrenköpfe allein, ist die Citizen sogar etwas leichter als die Tissot (64 gegen 67 g).

Tissot hat sich beim Gliederband für eine Doppelfaltschließe entschieden.

Besagtes Citizen-Gliederband hat an jedem Ende nur drei sich leicht verjüngende Glieder und bleibt danach gleichmäßig breit. Die Befestigung am Gehäuse erfolgt traditionell mit Federstegen, während die Tissot PRX über ein Schnellwechselsystem mit federbelasteten Riegeln verfügt. In beiden Fällen ist der Austausch des Gliederbandes gegen ein Kautschuk- oder Lederband problemlos möglich. Bei der Tissot muss das System passen, bei der Citizen die Breite stimmen (20 mm).

Die Aufzugskronen beider Uhren sind nicht verschraubt und laut Herstellerangaben dennoch bis 100 Meter wasserdicht. Der Kronenschutz der Citizen Series 8 ist angeschraubt und fällt durch zwei aufwendige polierte Auskehlungen auf. Diese fluchten mit einer Facette an der Unterkante der Gehäuseflanke, welche die optische Höhe des Gehäusemittelteils geschickt kaschiert. Ein Kragen an der Krone sorgt für eine gute Greifbarkeit mit dem Fingernagel, bspw. zum Zeigerstellen.

TBS: Auch in meinen Augen wirkt die Tissot allgemein flacher und schmaler, irgendwie raffinierter – Messwerte hin oder her! Dafür ist das Gehäuse der Series 8 wirklich sehr eigenständig und mit schönen Details ausgestattet, wie dem aufwendigen Kronenschutz und geschickt eingesetzten Facetten. Außerdem hat nun mal nicht jeder so schmale Hand gelenke wie der liebe Kollege und wünscht sich einen etwas präsenteren Zeitmesser am Arm.

Die beiden Bänder von PRX und Series 8 sind komplett verstiftet, wodurch sich das Kürzen (auch nach jahrelanger Erfahrung) wie ein krimineller Akt gegen das Material anfühlt. In dieser Preisklasse jedoch ist das für die Marken wohl betriebswirtschaftlich nicht anders zu lösen. Einmal angepasst, ggf. auch vom Uhrmacher, ist das Thema allerdings auch erledigt.

Die Schmetterlingsfaltschließe der Tissot geht bei der Verriegelung über den günstigen Standard bei dieser Bauart hinaus und wird durch ihr System aus vier horizontal einrastenden Pins (anstelle von vertikalen kleinen Häkchen) auch nach Jahren nicht ungewollt aufspringen.

Die Citizen-Bandschließe ist ebenfalls außergewöhnlich, denn sie wirkt im geschlossenen Zustand wie eine Doppelfaltschließe mit seitlichen Flächendrückern. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine einfache Faltschließe mit langem, weit öffnendem Schenkel. In puncto Oberflächenbearbeitung und Finish sind die strichgeschliffenen Glieder mit polierten Stirnkanten bei beiden Uhren einwandfrei ausgeführt.

Bei der Citizen kommt eine einseitig öffnende Schließe zum Einsatz.

Technik, Ausstattung, Gang

PB: Beide Uhrwerke verfügen über eine Datumsschnellverstellung und einen Sekundenstopp. Bei der Series 8 kommt das millionenfach bewährte Citizen/ Miyota Kaliber 9051 zum Einsatz. Es hat einen Durchmesser von 11 1/2 Linien (26 mm) und ist 3,9 mm hoch. Das Räderwerk ist in 24 Steinen gelagert, die konventionelle Unruh mit Rücker-Feinstellung schwingt mit 28.800 A/h. Der Automatikaufzug verschafft dem Werk eine Gangautonomie von bis zu 42 Stunden, der Aufzug erfolgt nur in eine Rotor-Drehrichtung. Die Spiralfeder ist aus einer amagnetischen Legierung gefertigt, und Citizen nennt für das Uhrwerk eine Magnetfeldresistenz von 200 Gauß (16.000 A/m).

Die Tissot PRX 80 wird von dem bei der Konzernschwester ETA produzierten Powermatic-Kaliber angetrieben, das in seinen Grundzügen auf dem unverwüstlichen Kaliber 2824 basiert. Durch die Absenkung der Unruhfrequenz von 28.800 auf 21.600 A/h und die Verwendung einer modernen Stahllegierung für die in beide Rotor-Drehrichtungen aufgezogene Zugfeder konnte die Gangautonomie auf satte 80 Stunden gesteigert werden. Die Unruhspirale ist aus Nivachron gefertigt und magnetfeldresistent.

Optisch etwas schlicht, technisch aber überzeugend: das Powermatic 80 unter dem Sichtboden der Tissot PRX.

Erstaunlicherweise ist das japanische Uhrwerk eine Spur feiner finissiert als sein Schweizer Pendant, mit echten «Tokioter Streifenschliffen» auf der Räderwerksbrücke und einer Art Wellengravur auf dem Aufzugsrotor. Bei der Tissot herrscht nüchterner Techno-Look – sauber sabliert, aber ultimativ schmucklos. Die Glasböden sind in beiden Fällen aus nicht entspiegeltem Mineralglas gefertigt.

TBS: Das Miyota 9051 ist das derzeitige Topmodell des zur Citizen-Gruppe gehörenden japanischen Uhrwerkherstellers. Dass es weiterhin auf die höhere Standard-Schwingfrequenz von 28.800 Amplituden pro Stunde setzt, macht sich wie vom Kollegen erwähnt bei der niedrigeren Gangreserve bemerkbar, die beim täglichen Tragen – dank automatischem Aufzug – keinen Nachteil mit sich bringt. Allerdings sind 80 Stunden wie bei der Tissot komfortabler, falls man die Uhr zwischendurch für ein paar Tage ablegen möchte. Das Powermatic 80 ist, wie man so schön sagt, «wochenendsicher».

Das Miyota 9051 der Citizen wurde etwas aufwendiger mit Streifenschliffen verziert.

Dass es im Gegensatz zum Miyota 9051 nüchterner finissiert ist, kann zwar nicht verneint werden, PROBEZEIT und die Japan-Platine hat einen schönen Schliff. Allerdings gefällt mir der oberflächliche Wellenschliff auf dem Rotor des japanischen Werks subjektiv nicht besser als das per Laser eingravierte Muster auf dem ETA-Rotor, zumal die Stoßsicherung und der Sprengring auf dem Übertragungsrad der Automatikgruppe des Miyota-Werks auf mich doch sehr industriell wirken. Wer jedoch anglierte Kanten und Guillochierungen erwartet, ist in dieser Preisklasse ohnehin falsch aufgehoben.

In puncto Gangwerte gibt es nichts Negatives zu berichten: Auf unserer Witschi-Zeitwaage hatte die Citizen Series 8 einen mittleren täglichen Gang von + 6,3 Sekunden, die Tissot PRX Powermatic + 5,6 Sekunden. Das ist schon nahe an der Chronometernorm und für Uhren in diesem Preissegment sehr gut, auch wenn die Unterschiede zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wert doch ziemlich ausgeprägt sind. Die Unruh-Amplitude ist bei beiden Uhrwerken nicht berauschend, dürfte sich aber erfahrungsgemäß im Verlauf von ein paar Wochen verbessern.

Fazit

PB: Die größte Überraschung dieser «Probezeit» waren zweifelsohne die Verarbeitungsqualität der beiden Uhren und die auch bei längerer, kritischer Betrachtung überzeugenden Designs. Den ausschlaggebenden Pluspunkt verbucht bei mir die Tissot PRX wegen ihrer frappierenden Authentizität und der besseren Gangleistungen – Stichwort «Wochenendsicherheit». Die Citizen spielt mir ein bisschen zu offensiv mit dem Vintage-Look und trägt sich an meinem Handgelenk nicht so komfortabel.

TBS: Mit keiner der beiden Armbanduhren kann man etwas falsch machen. Bei beiden stimmt der Preis, und auch das Design sowie die Gangleistungen der beiden Armbanduhren sind angemessen. Bei den inneren Werten hat das Powermatic 80 in meinen Augen zwar leicht die Nase vorn. Am Ende geht es bei Armbanduhren allerdings auch um das Aussehen, und da darf es für mich gerne ein wenig exotischer sein. Der Kronenschutz und das aufwendig facettierte Gehäuse sowie das Zifferblatt mit seinen besonderen Stundenmarkern haben mich von der Series 8 von Citizen überzeugt.

Text: Peter Braun, Tobias Schaefer

Bilder: Tobias Schaefer

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