Certified Pre-Owned

Besser als neu?

April 2024. Zumindest oft preiswerter oder leichter verfügbar. Insider sagen dem Geschäft mit gepflegten Armbanduhren aus Vorbesitz eine glänzende Zukunft voraus. Prüfzertifikate und Echtheitsgarantien räumen bei skeptischen Interessenten die letzten Zweifel aus.
CPO Vacheron Constantin

Das Marktpotenzial gebrauchter Uhren ist enorm. Experten schätzen den Bestand an gepflegten, teilweise ungetragenen Sammlerstücken weltweit auf 50 Millionen Exemplare. Das entspricht dem mehr als Zehnfachen des geschätzten jährlichen Absatzes von neuen Uhren im Preisbereich über 1000 Euro (Publikumspreis). Noch schlummern viele Werte in Schubladen und Tresoren, doch mit der zunehmenden Verknappung der begehrtesten Modelle und der galoppierenden Verteuerung neuer Zeitmesser kommt langsam Bewegung in den Gebrauchtuhrenmarkt.

Die wundersame Vermehrung klassischer PaneraiUhren rief schon früh die Echtheitsprüfer auf den Plan.

Der Handel mit Uhren aus zweiter Hand wird buchstäblich salonfähig und zieht von den Hinterstuben der Uhrenbörsen in schick eingerichtete Lounges in der Beletage des etablierten Fachhandels. Die Einrichtung eigener Qualitäts- und Echtheitszertifikate schafft Vertrauen, und in den letzten Jahren sind diesbezüglich zahlreiche Juweliere aktiv geworden. Als Rolex als unbestrittene Leadermarke im Gebrauchtuhrenmarkt vor einigen Monaten mit einer «Werksgarantie» für geprüfte Sammlerstücke in die Offensive ging, zogen gleich mehrere andere Luxusmarken nach – zum Teil noch länderbezogen, doch mit dem klaren Ziel der Internationalität vor Augen. «Certified Pre-Owned» ist das Zauberwort der Zeit, und in der Tat nimmt die offizielle Zertifizierung der Uhren aus privatem Vorbesitz den Kunden die Angst vor der Fehlinvestition in gefälschte oder gestohlene Ware.

Vom Kiesplatz in den Showroom

Der Sportwagen-Hersteller Ferrari unterhält seit zwanzig Jahren die eigene Prüfinstanz «Ferrari Classiche».

Auf dem Automobilsektor ist die Gebrauchtwagengarantie seit Jahren ein gewichtiges Verkaufsargument für professionelle Wiederverkäufer. Dabei gilt: Je teurer und jünger der gehandelte Wagen ist, desto wichtiger ist das Garantieversprechen und desto höher der Anteil an zertifizierten Automobilen. Alle Autohersteller bieten diese Leistung über ihre Vertragshändler an, doch insbesondere am Beispiel Ferrari wird der Aspekt der Authentizität deutlich, der auch bei hochwertigen Armbanduhren eine wichtige Rolle spielt.

Der italienische Sportwagen-Spezialist hat bereits vor zwanzig Jahren mit Ferrari Classiche eine Werkstatt-Abteilung ins Leben gerufen, die sich nicht nur mit der fachgerechten Restaurierung klassischer Ferrari beschäftigt, sondern auch die Echtheit eines Fahrzeugs überprüft und mit einem Zertifikat attestiert. Der Wert einer solchen automobilen Kostbarkeit hängt ganz wesentlich von ihrer Originalität ab. Auch allfällige Reparaturen im Laufe der Jahre müssen diesem Umstand Rechnung tragen, sonst verlangt Ferrari Classiche aufwendige und teure Korrekturen mit offiziell zertifizierten Original- oder Nachrüstteilen zur Wiederherstellung des Fahrzeugzustands bei Erstauslieferung. Auch das Prüfverfahren selbst ist aufwendig, weshalb die Sammlergemeinde gegen das teure Zertifikat zunächst Sturm lief. Inzwischen erzielen «Classiche»-zertifizierte Ferrari auf dem Gebrauchtwagenmarkt ein deutliches Premium, das die Investition in die Prüfung rechtfertigt. Und richtige große Klassiker sind heute ohne das offizielle Gutachten von Ferrari eigentlich unverkäuflich.

Nur echt mit dem Anhänger

Rolex nimmt die Überprüfung und Zertifizierung gebrauchter Uhren nun ebenfalls selbst in die Hand.

Das Programm Rolex Certified Pre-Owned weist bemerkenswerte Parallelen zum System Ferrari Classiche auf, denn auch der Wert der Uhren mit der Krone bemisst sich nach ihrer Authentizität. Wie bei Ferrari gibt es auch bei Rolex extrem begehrte und weniger begehrte Modelle, wobei die Unterschiede bisweilen marginal sein können. Spezielle Zifferblatt-Fehldrucke oder Farbmarkierungen können den Wert einer Uhr vervielfachen, und das weckt natürlich Begehrlichkeiten. Gut gemachte Fälschungen sind für Laien nicht zu erkennen; hier kommen die offiziellen Rolex-Profis ins Spiel, die Zugriff auf einen streng gehüteten Schatz von Herrschaftswissen haben. Wenn sie eine Uhr als «echt» anerkennen, schaffen sie eine Referenz.

Mit «gesuchten Features» aufgewertete Uhren werden anhand der ausführlichen Dokumentation und der genauen Referenzierung der einzelnen Modelle entlarvt. Das offizielle Herstellerzertifikat schützt den ahnungslosen Käufer, und spätestens in ein paar Jahren, wenn der Prüfungs- und Zertifizierungsapparat auf Hochtouren läuft, werden gebrauchte Rolex ohne Siegel nur noch schwer an den Mann zu bringen sein.

Die löbliche Initiative für Kundenschutz und Investitionssicherheit hat natürlich auch eine wirtschaftliche Seite: Pro Prüfung verlangt Rolex eine Gebühr von 2500 Euro, dazu kommen Handling-, Versand- und Versicherungskosten, die auf den Preis der zu verkaufenden Uhr natürlich draufgeschlagen werden. Und wenn der Kunde die solcherart zertifizierte Uhr nach ein paar Wochen zurückgibt und sie erneut in den Verkauf kommt, muss das teure Procedere wiederholt werden. Das Zertifikat gilt nämlich nur für den erstmaligen CPO-Verkauf, die Garantieleistungen können nur vom CPO-Erstkäufer eingefordert werden.

Teuer erkauftes Zertifikat

Rolex präsentiert ihr eigenes «Rolex Certified Pre-Owned Programm»
Rolex präsentiert ihr eigenes «Rolex Certified Pre-Owned Programm»

Die Preise für Rolex Certified Pre-Owned liegen deutlich über den aktuellen Wertnotierungen für gebrauchte Uhren, je nach Modell dürfte das bis zu 40 % ausmachen. So genau lässt sich das nicht beziffern, weil das Preisgefüge nach dem Absturz einiger grotesk überbewerteter Leadermodelle noch nicht wieder zur alten Homogenität zurückgefunden hat.

Die Spirale beginnt sich schon beim Ankauf des Sammlerstücks durch den Rolex-CPO-Partner zu drehen, denn die sach- und fachgerechte Aufarbeitung der gebrauchten Uhr obliegt in jedem Falle dem Konzessionär, der diese Kosten von vornherein «einpreisen» muss. Das Engagement von Rolex beschränkt sich auf die Überprüfung der Authentizität der Uhr und die Kontrolle der ausgeführten Arbeiten. Und natürlich das Ausstellen des Zertifikats.

All diese Kosten fließen in den Endpreis der CPO-Rolex ein, und die Zeche bezahlt am Ende – natürlich – der Käufer. Das ist nun einmal leider die Kehrseite der Medaille.

Text: Peter Braun

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