Tudor Black Bay Chronograph vs. TAG Heuer Carrera Glassbox

Probezeit für Petrolheads

November 2024. In dieser Ausgabe der «Probezeit» widmen wir uns zwei ikonischen Chronographen von Tudor und TAG Heuer, die nicht nur über ihre Tachymeterskalen eng mit dem Motorsport verbunden sind.
Tudor Black Bay Chronograph vs. TAG Heuer Carrera Glassbox

1963 stellte Jack Heuer die erste Generation der Carrera vor und bezog sich bei diesem Namen auf die Carrera Panamericana, ein extrem gefährliches Rennen auf öffentlichen Straßen in Mexiko, das wegen Sicherheitsbedenken bereits 1955 verboten worden war. Gleichwohl fand Heuer über die Carrera Zugang zum Motorsport, wurde erst Sponsor von Fahrern und Teams, dann offizieller Zeitnehmer. Das Markenlogo wurde für Rennsportfans zur Chiffre für die Formel 1.

Auch Tudor engagiert sich mittlerweile in der Königsklasse des Motorsports und unterstützt dort seit diesem Jahr das Visa Cash App RB Formula One Team. Im Rahmen dieser Kooperation hat die Genfer Marke auch ein besonderes Black-Bay-Modell in ihrem Programm, dessen blaues Zifferblatt von einem schwarzen Keramikgehäuse umschlossen wird. Echte Autofans geben sich mit Dreizeigeruhren allerdings nicht zufrieden – deshalb wählten wir für diese «Probezeit» den Black Bay Chrono als Sparringpartner für die Carrera.

Erster Eindruck:

Tudor Black Bay Chronograph vs. TAG Heuer Carrera Glassbox
Aus dieser Perspektive ist die doppelte Skalierung des Glassbox-Réhauts gut zu sehen.

Tobias Schaefer: : Mit ihrem klassischen Durchmesser von 39 mm ist die Carrera ganze zwei Millimeter kleiner als die Black Bay – eine tolle Zwischengröße. Direkt ins Auge fällt das stark gewölbte Saphirglas, das sich über den gleichzeitig nach innen und außen gewölbten Réhaut spannt. Die Skalierung für die Minuterie auf den Höhenring zu verlagern, um ein möglichst aufgeräumtes Zifferblatt zu schaffen, war einst das Alleinstellungsmerkmal der Carrera. Diesen Trick machen sich inzwischen viele Uhrenmarken zunutze, und TAG Heuer wendet ihn auch bei den aktuellen Glassbox-Modellen konsequent an – neben der dort auch integrierten Tachymeterskala. Tudors Black Bay Chrono trägt seine Minuterie auf dem Zifferblatt und die Tachymeterskala auf einer klassischen außenliegenden Lünette mit Aluminium-Ziffernscheibe.

Auch die Tudor ist mit einem gewölbten Boxglas aus Saphirkristall ausgestattet, das den Vintage-Stil von Acrylgläsern bestmöglich imitiert, jedoch deutlich kratzfester und damit langlebiger ist. Durch das klassische Gehäuseund Zifferblattdesign stellt der Black Bay Chrono einen deutlichen Bezug zum historischen Vorbild her, dem Tudor Chronograph Oysterdate.

Bei den Zifferblättern punkten beide Uhren mit applizierten Stundenmarkern, die bei der Carrera in die Wölbung des Réhauts übergehen und um kleine Leuchtpunkte aus SuperLuminova ergänzt werden. Bei der Tudor hingegen wird das Leuchtmittel vollflächig in die runden Marker integriert. Auch bei den Zeigern spart Tudor nicht am Leuchtmittel, die nicht zuletzt durch die sogenannte «Snowflake»-Form des Stundenzeigers eine geradezu überragende Nachtablesbarkeit bieten. Weniger üppig leuchten die dafür umso schöner ausgeformten bzw. facettierten Zeiger der Carrera.

Peter Braun: Beim Zifferblatt der TAG Heuer Carrera Glassbox lässt sich sehr gut erkennen, warum ein Datumsfenster bei der «12» bei einem Chronographen keine so gute Idee ist. Dort wird es nämlich 99 % der Zeit vom Stoppsekundenzeiger überdeckt und damit praktisch unlesbar. Dafür lässt das seitlich über den Réhaut einstrahlende Licht das Zifferblatt geradezu plastisch übersichtlich erscheinen. Man kann sich an dem von beiden Seiten bedruckten Damm rund um das Zifferblatt gar nicht sattsehen!

Auf einen Stundenzähler hat man beim Tudor Black Bay Chronograph geflissentlich verzichtet, um sich mit einer Bicompax-Anordnung der beiden Skalenfelder deutlich und nachdrücklich von der großen Schwester zu unterscheiden. Ups – jetzt habe ich das Wort doch wieder in den Mund genommen, dabei wollte ich Tudor seit der rundum gelungenen Emanzipation von Rolex nicht mehr diskriminieren! Aber die Tachymeterlünette und die markanten Indexe legen den Vergleich zur Rolex Daytona einfach nahe, auch wenn deren Kaliber 4131 den klassischen Tricompax-Auftritt kultiviert. Ungewöhnlich ist im Falle des Tudor-Chronographen die Skalierung des Minutenzählers nicht auf 30, sondern auf 45 Minuten. Das weckt Erinnerungen an alte «Fußball»-Chronographen, die dem Schiedsrichter die Länge einer Halbzeit anzeigten. Damit unterscheidet sich das Tudor Kaliber MT5813 übrigens auch vom zugrunde liegenden Breitling-Werk, das hier eh schon ohne Stundenzähler angetreten ist.

Tragegefühl, Bedienung, Ablesbarkeit

Tudor Black Bay Chronograph vs. TAG Heuer Carrera Glassbox
Die Tudor trägt ihre Tachymeterskala auf einem schwarzen Aluminiumring an der Lünette.

TBS: Der Carrera Chronograph ist in unserem Fall mit einem wirklich schönen Lederband mit «Rallye»-Lochung in Schwarz ausgestattet, das per Faltschließe am Arm befestigt wird. Am Handgelenk ist der Chronograph im schmaleren Gehäuse mit seinen gekonnt abgekanteten Bandhörnern und -flanken und dem stark gewölbten Deckglas ein echter Handschmeichler.

Absoluter Clou der neuen Carrera-Generation ist und bleibt aber der bereits angesprochene Réhaut mit doppelter Wölbung, was sich am Handgelenk tatsächlich als sehr gut ablesbar erweist. Die unweigerlich auftretenden Reflexionen des Boxglases stören die Ablesbarkeit in der Praxis jedenfalls nicht sonderlich. Besonders ausgewogen und klar sind außerdem die symmetrische Aufteilung des Zifferblatts und die dreidimensional ausgeführten Totalisatoren.

Anders als bei der Carrera müssen bei der Black Bay vor der Benutzung der Chronographenfunktion erst die Drücker aufgeschraubt werden. Dieses historisch korrekte Feature mag für spontane Messungen hinderlich sein, vermeidet allerdings versehentliche Betätigungen. Am Handgelenk trägt sich auch die Black Bay mit ihrem dreireihigen Gliederband sehr angenehm – 41 mm sind perfekt!

Das klar gezeichnete Zifferblatt der Black Bay mit den einfach gehaltenen Stundenmarkern und ihrer kräftigen Nachleuchtkraft bietet eine perfekte Ablesbarkeit, die nur von wenigen Armbanduhren getoppt werden kann. Für die ursprünglich als Taucheruhr konzipierte Black Bay ist das besonders wichtig, auch ohne einseitig drehbare Lünette zur Erfassung der Tauchzeit. Daraus resultiert ebenfalls die besonders komfortable Wasserdichtheit bis zu einem Druck von 20 bar (im Vergleich zu 10 bar bei der Carrera).

Tudor Black Bay Chronograph vs. TAG Heuer Carrera Glassbox

PB: Die in klassischer Rolex-Manier mit Kragenhülsen versehenen Chronographendrücker mögen im verschraubten Zustand nicht spontan bedienbar sein, doch dafür sind sie absolut wasserdicht, wie die Krone. Dieses Feature ist in der DNA sämtlicher Chronographen des Genfer Uhren-Giganten verankert, und Tudor ist schließlich Teil dieser Familie. Seit die Zweitmarke über die Beteiligung an der Uhrwerkefabrik Kenissi und einen Deal mit der Manufaktur Breitling Zugriff auf hochwertige und ziemlich exklusive Werke hat, ist das Stigma der «Allerweltstechnik» (ETA) völlig verheilt.

Die Carrera darf ihren Vintage-Charme spielen lassen und den Spontan-Stopper mit hübschen Pilzdrückern verwöhnen, die jederzeit einsatzbereit sind. Auch die Krone ist im Gegensatz zur Tudor Black Bay nicht verschraubt. Für moderne Dichtungen sind 10 bar Wasserdichtheit heutzutage aber auch kein Problem.

Der Tragekomfort der beiden Chronographen lässt sich nicht wirklich vergleichen, denn dem handschuhweichen gelochten Lederband der Carrera steht beim Black Bay Chronograph ein ziemlich schweres Edelstahl-Gliederband gegenüber. Die Lederband-Faltschließe ist filigran ausgeführt und passt gut zum geringeren Gewicht des Carrera-Uhrenkopfs. Das massivere Tudor-Gehäuse wiederum steht in perfekter Balance mit dem dreireihigen Gliederband, dessen solide gestaltete Schließe mit gefrästen Komponenten und sehr gut funktionierendem Sicherheits-Überwurf eine haptische Wohltat ist. Auch an meinem eher zierlichen Arm machen beide Chronographen eine gute Figur und liegen mittig auf dem Unterarm.

Technik, Ausstattung, Gang

Tudor Black Bay Chronograph vs. TAG Heuer Carrera Glassbox
Technisch anmutendes, aber perfekt ausgeführtes Finish beim TAG Heuer Kaliber TH20-00.

TBS: Gemeinsam mit den aktuellen Carrera-Chronographen wurde bei TAG Heuer auch ein neues Chronographenkaliber aus eigener Produktion eingeführt. Das TH20-00 mit 33 Lagersteinen und einer Gangreserve von zeitgemäßen 80 Stunden arbeitet mit der Standardfrequenz von 28.800 A/h und ist mit Schaltrad anstelle einer Kulissensteuerung ausgestattet. Das Werk ermöglicht außerdem eine Datumsanzeige, bei deren Platzierung sich die TAG-Heuer-Designer aber nicht ganz einig sind. Bei unserer Carrera Glassbox versteckt sich die Fensteranzeige auf der «12» unter dem Stoppsekundenzeiger. Bei anderen Zifferblattvarianten wurde stattdessen eine Position im unteren Skalenfeld der Kleinen Sekunde gewählt.

Auch im Black Bay Chrono arbeitet ein Manufakturkaliber mit Schaltrad. Das MT5813 ist das Ergebnis einer Kooperation mit Breitling und basiert auf deren Kaliber B01. Beim Black Bay Chronograph fehlt der Stundenzähler, wodurch sich Platz für die Datumsanzeige über der «6» ergibt. Auch das MT5813 arbeitet mit 28.800 A/h, verwendet ganze 41 Lagersteine und erreicht eine ebenfalls sehr gute Gangreserve von 70 Stunden. Dabei ist das Kaliber außerdem als Chronometer zertifiziert und arbeitet dementsprechend besonders genau.

Tudor Black Bay Chronograph vs. TAG Heuer Carrera Glassbox
Weil der Gehäuseboden geschlossen bleiben musste, hier eine Archivaufnahme des Tudor Kaliber MT5813.

PB: Das Automatikkaliber TH20-00 von TAG Heuer basiert auf dem vor zehn Jahren konzipierten Kaliber 80, das wenig später als Kaliber Heuer 02 in Produktion ging. Über den letzten Winter hinweg wurde das Uhrwerk von der neuen Technik Chefin bei TAG Heuer, Carole Forestier-Kasapi, einer kompletten Überarbeitung unterzogen, vom einseitigen auf einen beidseitigen Aufzug umgestellt und für die neue 5-Jahres-Garantie fit gemacht. Die Serviceintervalle sollen demnächst auf zehn Jahre angehoben werden – alles eine Reaktion auf den «New Normal»-Ansatz, der den gestiegenen Ansprüchen der Uhrenkunden Rechnung trägt. «Wochenendsicherheit» bei der Gangreserve (mindestens 72 Stunden) gehört auch dazu, obwohl mir nicht einleuchtet, wer seine Lieblingsuhr ausgerechnet am Wochenende drei Tage vom Arm nehmen würde …

Das Tudor Kaliber MT5813 gibt sich schmuckloser als sein Breitling-Pendant, verrichtet seinen Dienst jedoch auch im ewigen Dunkel unter einem hermetisch dicht verschraubten Stahlboden. Die Uhrwerk-Abbildung auf diesen Seiten ist ein Archivbild, weil es uns nicht gestattet war, den Gehäuseboden zum Fotografieren abzuschrauben, und wir mangels Spezialwerkzeug unter Umständen mehr Schaden als Segen verursacht hätten. Interessant wäre allerdings gewesen, sich die hier verbaute Silizium-Spirale einmal näher ansehen zu können. Das mit einer vertikalen Kupplung und einem Schaltrad ausgestattete Chronographenwerk ist als Chronometer konzipiert und wird entsprechend zertifiziert.

Tudor Black Bay Chronograph vs. TAG Heuer Carrera Glassbox

Die Gangleistungen beider Prüflinge auf unserer Witschi-Zeitwaage waren außergewöhnlich gut. Die TAG Heuer Carrera schaffte im Test ein glattes «Null»-Ergebnis, das bedeutet, die Uhr ging auf die Sekunde genau. Allerdings war die Differenz zwischen dem schnellsten (Zifferblatt unten) und dem langsamsten Gang (Krone oben) mit 9,2 Sekunden ein wenig ausgeprägt, und beim Tragen ist mir aufgefallen, dass das Kaliber TH20-00 einen Tag zum Einschwingen brauchte.

Da jede Tudor schon einige Tests auf dem Buckel hat, bevor sie in den Verkauf kommt, hat uns das sehr gute Ergebnis auf unserer Zeitwaage nicht wirklich überrascht. Schließlich wird nicht nur das ausgeschalte Uhrwerk bei der Chronometerprüfstelle COSC untersucht, sondern auch die komplettierte Uhr in einer eigenen Abteilung im Hause Tudor. Und dennoch kommt es nicht alle Tage vor, dass der Abfall (d. h. die Zeitdifferenz zwischen dem Tick und dem Tack, in der Tabelle «Rep») so klein und damit fast symmetrisch ausfällt: 0,1 ist hier ein absoluter Spitzenwert.

Fazit

TBS: Bei dieser Auswahl fällt ein Fazit wirklich schwer. Beide Uhren gefallen mir sehr gut. Dürfte ich etwas ändern, würde ich bei der Carrera das Datum weglassen und die Tudor mit einem Sichtboden ausstatten. Bei einigen Taucheruhren hat Tudor zuletzt schon solche verbaut, da bleibe ich gespannt. Trotzdem – und auch wenn es schwerfällt – würde ich, wenn es hart auf hart kommt, die Tudor wählen. Neben dem COSC-Zertifikat sind wohl besonders die höhere Wasserdichtheit und der nicht unerheblich geringere Preis ein Argument für den robusten Chronographen. Tragen würde ich ihn am genieteten Edelstahlband.

PB: Ein satter Tausender weniger trotz prima Gliederband, verschraubter Krone und Schraubdrücker: Die Papierwerte des bestechend gut verarbeiteten Tudor Black Bay Chronograph sprechen eine deutliche Sprache. Und die Uhr sieht toll aus, keine Frage! Aber ich bin ja nun ein paar Tage älter als mein Kollege Tobias und darüber hinaus nicht nur privat, sondern auch beruflich mit dem Rennsport verbunden. Daher spielte die (TAG) Heuer Carrera in meiner Uhren-Sozialisation eine wichtige Rolle. Die Vorstellung der «Glassbox» im letzten Jahr schlug eine Brücke aus der Vergangenheit in die Zukunft der Motorsport-Legende, und so würde ich als alter Petrolhead wahrscheinlich lieber ein bisschen länger auf meinen Traum-Chronographen sparen.

Text: Peter Braun, Tobias Schaefer

Bilder: Tobias Schaefer

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