Porsche Design Timepieces

Aus dem Staub

Juli 2023. Porsche Design Timepieces ist alles andere als ein klassischer Uhrenhersteller. Das gilt für die Entwicklung, Herstellung und Vertrieb. Auch beim Material geht man in Solothurn eigene Wege.
Porsche Design Uhr

Titan ist bei Porsche Design Timepieces gesetzt. Seit der Neuausrichtung der Marke im Jahr 2014 und der Gründung des neuen Entwicklungs- und Produktionsstandorts in Solothurn werden grundsätzlich alle Uhren des Hauses in Titangehäuse eingeschalt. Das Material hat bei Porsche Design eine lange Tradition. Im Jahr 1980 stellte die Marke den weltweit ersten Titanchronographen vor, der in Kooperation mit IWC Schaffhausen entwickelt und produziert wurde.

F. A. Porsche, der Gründer von Porsche Design, war von dem Material fasziniert, das auch im Sport- und Rennwagenbau seine Überlegenheit bewiesen hatte – etwa beim legendären Rennwagen Porsche 917, dessen Kurbelwelle und Pleuel aus Titan gefertigt waren. Schließlich ist Titan bei gleicher Festigkeit viel leichter als ein vergleichbares Bauteil aus Stahl. Und so konstruierte und gestaltete F. A. Porsche einen Chronographen, wie man ihn zuvor noch nicht gesehen hatte. Das Design mit seinen versenkten Drückern und den organischen Formen erschien ziemlich revolutionär. Die Verwendung von Titan war es ebenfalls, schließlich galt es zu dieser Zeit und mit den damals vorhandenen Maschinen als nur schwer zu bearbeiten. Bei der IWC meisterte man das Material, weil man einen ausgewiesenen Spezialisten in Fertigungstechnik und Metallurgie beschäftigte: den Diplom-Ingenieur Lothar Schmidt, heute Inhaber der Firma Sinn Spezialuhren.

Tempi passati. Heute ist Titan ein technisch beherrschbarer und in der Uhrenbranche allgemein anerkannter Werkstoff, nicht zuletzt aufgrund seiner biokompatiblen, antiallergischen Eigenschaften. Just aus diesem Grund wird Titan in der Medizin für Implantate genutzt. In der täglichen Praxis kommt eine Uhr ständig mit aggressivem Hautschweiß in Berührung. Das stört Titan ebenso wenig wie der Kontakt mit Salzwasser beim Schwimmen.

Die Werkbrücken sind mit Titankarbid beschichtet.
Die Werkbrücken sind mit Titankarbid beschichtet.

Selbst Rolex, ein erwiesenermaßen konservativer und qualitätsfanatischer Uhrenhersteller, präsentierte mit der Deepsea Challenger eine Titanuhr. Hintergrund der Materialwahl war hier das Gewicht. Ein solches Monument von einer Uhr wäre in Stahl buchstäblich untragbar gewesen. Zur Veranschaulichung: Ein Würfel aus der im Uhrenbau gebräuchlichen Stahllegierung 316L mit zehn Zentimeter Kantenlänge wiegt 7,8 Kilogramm, der gleiche Würfel in Titan aber nur 4,5 Kilogramm. Auch in der Härte ist Titan dem Edelstahl überlegen. Reintitan (Grad 2) kommt auf eine Oberflächenhärte von 210 Vickers, Titan Grad 5 gar auf 350 Vickers, während Edelstahl 316L nur bei 220 Vickers liegt. Fairerweise muss man anfügen, dass sich Stahl hervorragend härten lässt. Sinn hat mit einem Technologiepartner ein Verfahren entwickelt («Tegimentieren»), bei dem durch die Zugabe von Kohlenstoff der Stahl auf bis zu 1400 Vickers gehärtet wird. Härter sind dann nur noch Keramiken.

Mehr als eine Beschichtung

«Weil Titan bei uns als Material gesetzt ist, stellte sich uns die Frage, welche Keramik sich mit Titan machen lässt», erläutert Rolf Bergmann, Geschäftsführer von Porsche Design Timepieces, den Grundgedanken bei der Suche nach einem neuen Gehäusematerial, das auf jeden Fall leichter als die im Uhrenbau gängige Keramik Zirkonoxid sein sollte. Komplett neu mussten die Uhrenbauer das Rad aber nicht erfinden, denn die Keramik Titankarbid existierte bereits. Sie wird im Werkzeugbau als Beschichtung verwendet, wie der gelernte Werkzeugbauer Bergmann wusste: «Doch mussten wir das Thema auf das nächste Level heben, schließlich wollten wir keine Beschichtung, sondern komplett durchgefärbtes Material haben.»

In einem Schaukasten zeigt Porsche Design die sechs Zustände von Titankarbid – vom Pulver bis zum fertigen Uhrengehäuse.
In einem Schaukasten zeigt Porsche Design die sechs Zustände von Titankarbid – vom Pulver bis zum fertigen Uhrengehäuse.

Gemeinsam mit einem Gehäusebauer wurde ein Verfahren entwickelt, das Rolf Bergmann zwar schlüssig, allerdings auch bewusst lückenhaft beschreibt: „Wir mussten das Thema auf das nächste Level heben, schließlich wollten wir keine Beschichtung, sondern komplett durchgefärbtes Material haben.“

Wenn ich hier alles erzählen würde, könnten Spezialisten dies schnell nachvollziehen, und wir hätten unseren Technologievorsprung eingebüßt.» Grundlage der neuen Gehäuse ist ein dunkelgraues Pulver, so fein wie Staub. Es verwandelt sich durch Zugabe eines Klebstoffs zu einer homogenen Masse. Das lässt sich mit einem Druck von mehreren Tonnen in eine Form pressen, der sogenannte «Grünling» entsteht. Dieser ist weich und lässt sich leicht bearbeiten, sodass die spätere Form des Uhrengehäuses schon erkennbar ist. Allerdings noch nicht die endgültige Größe – sie entsteht in einem Ofen, ein Prozess, der mehrere Tage lang dauert. Unter der Zugabe von Hitze und bestimmten Gasen wird das Bindemittel aus dem Grünling ausgebrannt. Das nennt der Fachmann «Pyrolysieren». Dann folgt das Sintern, bei dem das eigentliche Gehäusematerial miteinander verschmilzt. Im Laufe der thermischen Bearbeitung schrumpft der Rohling erheblich. Ziel ist es, einen aufs Zehntel eines Millimeters maßhaltigen Gehäusekörper zu erhalten, dessen Oberfläche den hohen ästhetischen Ansprüchen des Uhrenbauers entspricht.

Titancarbid-Pulver
Das Titankarbid-Pulver kommt in seiner Feinheit dem Hausstaub sehr nahe.

Danach folgt die Hartbearbeitung des Rohlings. Schleifen, Drehen und Bohren sind ausschließlich mit Diamantwerkzeug möglich, schließlich hat Titankarbid eine Vickers-Härte von 1900. Großzügiger Materialabtrag ist da eigentlich ausgeschlossen, ebenso wie klassische Verfahren wie das Glasperlenstrahlen. Letzteres wird genutzt, um Oberflächen einen seidig-matten Glanz zu verleihen. Hochglanz ist bei Porsche Design nämlich verpönt. Ein Diktum von F. A. Porsche besagt, dass auf Hochglanz polierte Flächen an einer Uhr nichts zu suchen hätten – schließlich beeinträchtigen Reflexionen die einwandfreie Ablesbarkeit einer Uhr. Dieser Wunsch ist seinen gestalterischen Nachfahren selbstverständlich Befehl – und so suchte man so lange, bis man ein Verfahren fand, mit dem man eine schöne matte Oberfläche erhält. Und wie geht das? Auch hier schweigt des Sängers Höflichkeit.

Reservierte Entwicklungen

Zumindest verrät er uns, dass eine Containerkonstruktion bei diesem Gehäusematerial unumgänglich sei. In Titankarbid lassen sich keine Gewinde drehen, das Bohren von Löchern inklusive Senkungen geht aber schon. Und so wird das Uhrwerk in einem passgenauen Titancontainer aufgenommen, der seinerseits mit vier Schrauben mit der Schale verbunden wird. So ist nicht nur die Stabilität sichergestellt, sondern auch die exakte Flucht von Kronentubus und Drückerachsen. Schließlich soll auch hier die bei Porsche Design übliche dynamische Wasserdichtheit gewährleistet sein – die Drücker können gefahrlos selbst unter Wasser bedient werden. So kann auch der Boden aus Titan – natürlich mit Titankarbid-Beschichtung – zentral verschraubt werden.

Uhren-Prüfung
Jede Uhr bei Porsche Design wird vor der Auslieferung akribisch geprüft – auch auf Ganggenauigkeit.

Als Motor dient das Kaliber WERK 01.240. Hier legt Rolf Bergmann Wert auf die Feststellung, dass «wir keine Standardwerke verwenden». Das WERK 01, ein als Chronometer zertifizierter FlybackChronograph, sei tatsächlich ein eigenes Werk, wenn auch kein selbst gebautes. «Wir haben Entwicklungspartnerschaften mit Sellita, Concepto und Dubois Dépraz. Da stecken wir viel Geld und eigene Ingenieursleistung rein. Diese Entwicklungen sind deshalb auch für uns reserviert.» Darüber liegt ein Zifferblatt, auf dem in Rot und in einem roten Kreis das chemische Kürzel von Titankarbid, also TiC, gedruckt ist. Das darf man als kleines historisches Zitat begreifen. Die von Porsche Design gestaltete und von IWC gefertigte Ocean 2000, die als Dienstuhr an die Bundeswehr geliefert wurde, trug seinerzeit in derselben Form 3H auf dem Zifferblatt – als Zeichen dafür, dass hier Tritium als Leuchtmasse zum Einsatz kommt, und gleichermaßen als Warnung vor dessen radioaktiver Strahlung. Das «TiC» ist keine Warnung, eher eine stolze Eigenwerbung.

Der Aufzugsrotor übernimmt das Design der Fahrzeugfelge.

Die erste Uhr mit Titankarbid-Gehäuse hört auf den Namen Chronograph 1 911 Dakar und ist folgerichtig dem Sportwagen-Sondermodell Porsche 911 Dakar gewidmet, eine Reminiszenz an das einstige Wüstenrallye-Auto. Das passt ja an sich ganz gut mit einer Uhr zusammen, deren Gehäuse ursprünglich mal Staub war. Schade nur, dass ausschließlich die Sportwagenkäufer Zugriff auf diese Uhr haben. Insgesamt sollen 2500 Uhren zum Preis von 13.950 Euro gebaut werden.

Text und Bilder: Martin Häußermann

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