100 Jahre Bauhaus

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Wer sich auch nur ein kleines bisschen für Kunst und Gestaltung interessiert, kommt am Bauhaus nicht vorbei – erst recht nicht im 100. Jubiläumsjahr. 1919 gründete der Architekt Walter Gropius, der zu den Mitbegründern der modernen Architektur zählt, das Staatliche Bauhaus. In den Jahren 1925 und 1926 entstand in Dessau-Roßlau (im heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt) nach den Plänen des Gründers ein Schulgebäude für die Kunst-, Design- und Architekturschule Bauhaus. Sie gilt heute als Wiege der klassischen Moderne und wird auch von einigen Uhrenherstellern als Referenz herangezogen.
Nomos

Doch ein – übrigens absolut lohnenswerter – Besuch des Bauhauses und auch der benachbarten sogenannten Meisterhäuser, in denen neben Gropius auch andere Bauhausmeister wie Feininger, Schlemmer oder Klee mit ihren Familien lebten, lässt den Uhrenfreund mit der ernüchternden Erkenntnis zurück: Es gibt gar keine Bauhausuhren. Zumindest keine, die unmittelbar am Bauhaus gestaltet oder gar gebaut wurden. Die Zeitmessung stand nicht im Fokus der Bauhausmeister, die, wenn überhaupt, Taschenuhren trugen. Armbanduhren waren in dieser Zeit eher Frauensache.

Die Sache mit den Bauhausuhren – nur eine Schimäre? So einfach darf man es sich dann auch wieder nicht machen. Schließlich beeinflusste das Bauhaus nicht nur die Architektur, sondern auch die Produktgestaltung im Allgemeinen. Die Bauhäusler verfolgten eben keine Gestaltungsmoden, sondern eine Gestaltungsphilosophie. Die formulierte Gründer Walter Gropius wie folgt: «Das ‹Kunstwerk› hat im geistigen wie im materiellen Sinne genauso zu ‹funktionieren› wie das Erzeugnis des Ingenieurs, z. B. wie ein Flugzeug, dessen unerbittliche Bestimmung es ist, zu fliegen.» Ein Satz für die Ewigkeit. Da ist es nahezu logisch, dass sich auch die Hersteller von Uhren, Gehäusen und Zifferblättern selbst nach der Zerschlagung der Bauhausschule durch die Nazis im Jahr 1933 – und bis heute – bei der Gestaltung ihrer Produkte am Bauhaus orientieren.

Junghans trifft Max Bill

Den direktesten Bezug zum Bauhaus hat mit Sicherheit der deutsche Uhrenhersteller Junghans, wenn auch über einen kleinen Umweg – nämlich über den ehemaligen Bauhausschüler Max Bill, der von 1927 bis 1928 in Dessau studiert hatte. Er bekam 1956 von Junghans den Auftrag, eine Uhr zu gestalten. Allerdings keine Armbanduhr, sondern eine moderne Küchenuhr. Max Bill war zu jener Zeit an der Hochschule für Gestaltung in Ulm tätig, die er gemeinsam mit Otl Aicher und Inge Aicher-Scholl gegründet hat. Er selbst bezeichnete sich als Architekt, doch er war auch als Bildhauer, Maler und Grafiker – und eben auch als Produktdesigner – tätig.

Die von Junghans beauftragte Küchenuhr mit integriertem Kurzzeitmesser (einem 60-Minuten-Wecker) passt mit ihrer puristischen Ästhetik auf der einen und mit ihrer Funktionalität auf der anderen Seite perfekt in die Bauhausphilosophie. Eine Uhr mit gelungenen Proportionen und einem reduzierten Design, das sich auch in der Tischuhr von 1958 zeigt. Max Bill gestaltete nach eigener Überzeugung «Uhren so weit wie möglich entfernt von jeder Mode. So zeitlos, wie das eben gehen würde, ohne die Zeit zu vergessen.» Das gilt auch für die 1961 entstandene Junghans Max Bill Armbanduhr.

Bei der Gestaltung der Uhren für Junghans legte Max Bill den Fokus vor allem auf das Zifferblatt. Er reduzierte es auf das Wesentliche, auf die perfekte Ablesbarkeit der Zeit. Stunden-, Minuten- und Sekundenzeiger sind leicht voneinander zu unterscheiden. Charakteristisch ist die Typografie der klar gezeichneten und gut lesbaren Zahlen. Als erster Gestalter überhaupt verwendete Max Bill gut zu erkennende Doppelleuchtpunkte bei der «12». Die Form der Uhr ist logisch: kreisrund. Denn sie entspricht der der Form, die die Funktion – nämlich sich drehende Zeiger – vorgeben.

Zeitlose Erfolgsgeschichte

Die Zeitlosigkeit dieses Entwurfs zeigt sich nicht zuletzt darin, dass diese Uhr bis heute nahezu unverändert weitergebaut wird. «Max Bill» ist die erfolgreichste Kollektion der Schwarzwälder, die den meisterlichen Entwurf technisch in verschiedensten Ausführungen und Größen durchdekliniert hat. Neben der klassischen Handaufzugsuhr stehen Automatik- oder Damenmodelle ebenso im Katalog wie der als «Chronoscope» bezeichnete Chronograph. Erst kürzlich hat Junghans eine Max Bill Mega mit dem hauseigenen Funkuhrwerk vorgestellt.

Das Bauhausjubiläum feiert Junghans mit der auf 1000 Stück limitierten Max Bill Automatic (1225 Euro), die farbliche Anleihen am Bauhausgebäude nimmt. Das matt versilberte Zifferblatt soll an die weißen Wände des Gebäudes in Dessau erinnern, das anthrazitfarbene Gehäuse steht für dessen Fassade. Und das graue Band – gestaltet in der Farbe der Architekten – zitiert den Baustoff Beton. Die rote Datumsscheibe und die roten Zeiger nehmen die Farbe der bekannten roten Tür des Bauhauses in Dessau auf. Ein nettes Aperçu ist das auf dem Glasboden aufgedruckte Bauhausgebäude mit seiner großen Fensterfront – die einen Einblick in das Innere der Uhr, das mechanische Uhrwerk, gewährt.

junghans
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Junkers und das Bauhaus

Dessau war nicht nur die Heimat des Bauhauses, sondern auch der Junkers-Werke. Dort unterhielt der Unternehmer und studierte Maschinenbauer Hugo Junkers, der sich vor allem durch seine Entwicklungen im Bereich der Luftfahrt einen Namen machte, u. a. eine Fabrik für Gas- und Hausgeräte. Weil man sich gegenseitig schätzte, entstand daraus auch eine Zusammenarbeit. Das Bauhausschulgebäude etwa wurde von einer Junkers-Zentralheizung warm gehalten, und auch in den Meisterhäusern wurden Junkers-Geräte eingesetzt. Zu einem Bild im Wohnzimmer, auf dem auch ein Wandventilator aus der Produktion der Dessauer Junkers-Werke zu sehen ist, notierte Walter Gropius: «heute wirkt noch vieles als luxus, was übermorgen zur norm wird!»

Uhren der Marken Junkers baute lange Zeit das Münchner Unternehmen PointTec, das aktuell wegen Markenrechtsstreitigkeiten mit den Junkers-Erben darauf verzichtet. PointTec hat die Verbindung von Junkers und dem Bauhaus geschickt dazu genutzt, nach Bauhausprinzipien gestaltete Uhren auf den Markt zu bringen. Auf den Junkers-Schriftzug und das Logo auf dem Zifferblatt verzichtet PointTec-Inhaber Wilhelm Birk aus naheliegenden Gründen derzeit, aber keineswegs darauf, die erfolgreichen Bauhausuhren weiter zu verkaufen.

Diese erscheinen nun unter dem zwar weniger geschichtsträchtigen, dafür international aber gut nutzbaren Markennamen «Iron Annie», dem englischen Spitznamen für das Flugzeug Junkers Ju-52. Das Unternehmen begreife das Bauhaus nicht nur historisch, sondern auch als Ressource für die Gestaltung im 21. Jahrhundert, schreibt PointTec in einer Pressemeldung anlässlich der Lancierung der Kollektion «100 Jahre Bauhaus». Diese umfasst insgesamt 15 Modelle, neun davon werden von Automatikwerken von ETA und Citizen/Miyota angetrieben. Die Preise bewegen sich zwischen rund 500 und 2300 Euro für den Chronographen mit Glashütter Chronometerzeugnis.

Bauhaus in Pforzheim

Schon sechs Jahre nach der Fertigstellung des Bauhausgebäudes setzte die NSDAP, nachdem sie im Gemeinderat die Mehrheit gewonnen hatte, die Schließung des Staatlichen Bauhauses durch. Ludwig Mies van der Rohe versuchte, das Bauhaus als staatliche Einrichtung in Berlin fortzuführen, doch nach zahlreichen Repressalien durch die Nazis wurde die Institution buchstäblich zur Selbstauflösung gezwungen. Viele Bauhausmitglieder emigrierten seinerzeit, doch die Idee einer funktionalen und reduzierten Gestaltung hatte auch in der deutschen Uhrenindustrie Bestand.

Zu sehen ist dies bei einer Uhr im Stowa-Museum in Engelsbrand aus dem Jahr 1937, die dem heutigen Inhaber Jörg Schauer als Vorbild für sein Modell Antea Kleine Sekunde diente. Das Metallzifferblatt stammte vom Pforzheimer Hersteller Weber & Baral, der seinerzeit nicht nur Pforzheimer Uhrenhersteller wie Stowa und Lacher (heute Laco), sondern auch A. Lange & Söhne in Glashütte belieferte.

Die Antea baut Stowa heute in vielen Varianten, doch Jörg Schauer verspürte auch den Wunsch nach Erweiterung und Modernisierung der klassischen Bauhausuhr und beauftragte den befreundeten Designer Hartmut Esslinger (Gründer von frog design) mit der Gestaltung. Er selbst sagt zum Entwurf der Antea back to bauhaus: «Es musste eine coole Interpretation sowohl des originalen Designs von A. Lange & Söhne (1937) als auch der Antea von Stowa (1937) sein. Das Edelstahlgehäuse der Antea Klassik beließ ich. Das Zifferblatt mit der modernen Bauhaus STD Type von Ed Benguiat und Victor Caruso schafft mit seiner sensiblen Ästhetik ein historisches Original. Die Farben, die Stowa anbietet, sind eine Hommage an Josef Albers und Johannes Itten, denn das Bauhaus sollte man nicht nur schwarz oder weiß sehen.»

Stowa
Bauhaus

Bauhaus in Glashütte

Das bereits erwähnte Zifferblatt, das Weber & Baral seinerzeit an Lange geliefert hat, dürfte wahrscheinlich auch die Inspiration für eine Uhr gewesen sein, die sich heute wohl mit dem Begriff Ikone schmücken darf – die Tangente. Sie ist das Gesicht der Marke Nomos Glashütte und wird seit 1992 gebaut, immer wieder optisch nachgeschärft, aber vor allem auch technisch ständig verbessert. Diese Uhr ist für viele Betrachter der Inbegriff einer Bauhausuhr. Dagegen wehrt sich Nomos nicht, wenngleich die Design- und Formensprache der Marke heute längst weit über die Tangente hinausgewachsen ist.

Deshalb feiert auch Nomos 100 Jahre Bauhaus mit einer auf insgesamt 900 Exemplare limitierten Tangente-Sonderserie. Diese wird in drei Größen, 33, 35 und 38 Millimeter, angeboten, das Zifferblatt erscheint bei allen wie Skizzenpapier in einem zarten Chamois-Ton, die Minuterie ist wahlweise blau, rot oder gelb unterlegt. Hier nimmt man die Farblehre des Bauhauses auf. Drei Größen, drei Farben, die dem Anlass entsprechend jeweils auf 100 Exemplare limitiert sind. Am besten gefällt uns aber, dass die limitierten Sondermodelle zur Feier des Jubiläums jeweils 100 Euro günstiger als die entsprechenden Serienmodelle sind.

Text: Martin Häußermann
Bilder: Martin Häußermann, Hersteller

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