September 2024: TAG Heuer CarreraDer Geist des Rennsports
Der ikonische Zeitmesser von TAG Heuer verbindet Eleganz mit dem Erbe der Geschwindigkeit.
Den Namen Valjoux kennt man heute nur noch als Bezeichnung für das quasi universell verwendete ETA Kaliber 7750, das aber einst in der gleichnamigen Uhrwerkfabrik im Vallée de Joux konstruiert und gebaut wurde, bevor das Unternehmen unter die Fittiche der späteren Swatch Group schlüpfte. Die Valjoux-Erfolgsstory begann indes mit dem Kaliber 23, dessen Ursprünge auf das Jahr 1916 (!) zurückgehen. Ab 1938 wurde das 13-linige Werk (ca. 30 mm) mit zwei Drückern ausgestattet und avancierte zu einem gefragten Standard-Antrieb für viele Armbandchronographen, militärische und zivile. Das Uhrwerk wurde bis in die frühen 1970er Jahre gebaut und dabei ständig weiterentwickelt, zum Kaliber 72 (noch mit 18.000 A/h) sowie später (mit 21.600 A/h) zu den Kaliberfamilien 230 und 720.
Auch die klassischen Venus-Kaliber genießen bei Sammlern einen guten Ruf, und in China wird das berühmte Kaliber 178 (mit Stundenzähler) quasi unverändert produziert, nachdem in den turbulenten Jahren der «Quarzkrise» viele Schweizer Werkzeugmaschinen in den Ausverkauf gewandert waren. Es gab das Venus-Kaliber in Versionen mit Schleppzeiger, Kalenderanzeigen oder Mondphasen sowie in verschiedenen Kombinationen daraus. Die klassische Form der Brücken und Kloben, die moderate Schlagzahl von 18.000 A/h und das Schaltrad als Steuerzentrale für die Chronographenfunktionen kennzeichnen das Venus-Werk als ein Kind der frühen Nachkriegszeit.
Wie auch an anderer Stelle dieses Spezialthemas zu lesen ist, zählte die Manufaktur Longines einst zu den größten Chronographen-Spezialisten. Das war indes nicht immer der Fall: Auch Longines bezog bis in die 1940er Jahre Rohwerke von Valjoux. 1936 wollte man in St. Imier aber endlich Nägel mit Köpfen machen und das seit 1913 produzierte Chronographenkaliber 13.33Z ablösen, weil es in der sehr handwerklich geprägten Montage langsam zu teuer wurde (deshalb auch die Zukäufe der 13- und 15-linigen Valjoux-Rohwerke). Das Kaliber 13 ZN war also, auch wenn man das heute nicht mehr so empfinden mag, ein sehr modernes, fertigungstechnisch optimiertes Produkt, das sich rationell und mit weniger Justier- und Nacharbeit montieren ließ. Noch immer waren 18.000 A/h (2,5 Hertz) das Maß aller Dinge, und natürlich fungierte ein aus dem Vollen gefrästes Schaltrad als «Gehirn» der Chronographensteuerung.
Auch die Chronographenwerke aus der Fabrik von Alfred Lugrin im Vallée de Joux verfügen in den vierziger und fünfziger Jahren selbstverständlich über ein Schaltrad, was sie aus heutiger Sicht zu begehrenswerten Sammlerstücken macht. Fast alle neuen Chronographen-Konstruktionen, per se hochwertig und kostspielig, stellen das aufwendige Frästeil in den Mittelpunkt von Funktion und Kommunikation. Die Manufaktur Breguet, die sich vor zehn Jahren den Uhrwerkehersteller Nouvelle Lémania einverleibt hat, pflegt das Erbe der klassischen Schaltradkaliber in zahlreichen eigenen Chronographenmodellen und hat die Verfügbarkeit von Rohwerken für andere Firmen drastisch zurückgefahren. Letztlich war dies auch der Grund für die Genfer Edelmanufakturen, sich um eigene Konstruktionen zu kümmern (siehe nächstes Kapitel).
Mit edler Manufakturtechnik für kostspielige Chronographen hatten die Betreiber der Uhrwerkfabrik in Le Landeron, einem Vorort von Neuchâtel, wenig bis gar nichts am Hut. Sie dachten in den Kategorien größere Stückzahlen, rationellere Fertigung und preiswertere, funktionelle Produkte. Ihr Kaliber 48 von 1937 gilt vielen Uhrenkennern als Pionier der Kulissenschaltung, bei der das Frästeil Schaltrad durch übereinander geführte Stahlhebel mit halbrunden Nockenprofilen und Stiften ersetzt ist. Der Grund, warum Sammler über die auch Schiffchen- oder Nockensteuerung genannte Konstruktion die Nase rümpfen, liegt darin, dass das Schaltrad ein aufwendiges Frästeil ist und die Kulissenhebel nur gestanzt werden. Aber genau darin lag ja die Einsparung von Fertigungszeit und Produktionskosten, die in den 1960er Jahren fast die komplette Industrie zum Umschwenken bewog.
Gegen Ende der 1960er Jahre war die Zeit reif für ein Chronographenwerk mit automatischem Aufzug. Normale Dreizeigeruhren mit Handaufzugswerken waren schon fast nicht mehr zu verkaufen, außerdem erwuchs in der exotischen Quarztechnik eine für viele Uhrenträger sehr verlockende Alternative. Das eingangs erwähnte Platzproblem an der Werkseite ließ sich bei einer neuen Konstruktion durchaus lösen.
Die Entwicklungsgemeinschaft von Heuer, Breitling, Dubois-Dépraz und Hamilton-Büren stellte ihr Kaliber 11 am 3. März 1969 vor. Die beiden Uhrenmarken genossen als Spezialisten für robuste, professionelle Zeitmesser hohes Ansehen, wobei Breitling bis dato in erster Linie mit dem Werkehersteller Venus zusammengearbeitet hatte und Heuer seine Handaufzugskaliber von Valjoux bezog. Zur gemeinschaftlichen Entwicklung eines modernen Chronographenwerks mit automatischem Aufzug wandten sie sich an zwei externe Spezialbetriebe: Die Büren Watch Co. verstand sich auf kompakte Automatikwerke mit Mikrorotor, und Dubois-Dépraz hatte bereits zuvor Chronographen-Baugruppen und Module zum Aufbau auf Handaufzugswerke konstruiert und produziert. So entstand ein technisch interessantes, wenn auch recht dickes Sandwich mit komplett umbautem Mikrorotor in der Werkmitte und recht krude finissiertem Hebelwerk mit Schwingtrieb und Kulissenschaltung. Doch sowohl für Breitling als auch für Heuer standen kostengünstige Produktion und Funktionstüchtigkeit im Vordergrund. Verglaste Gehäuseböden waren noch unbekannt, und mechanische Innereien waren noch keine erwähnenswerte Besonderheit, sondern Normalität.Während das Heuer/Breitling Kaliber 11 mit einer Unruh-Schwingfrequenz von eher gemächlichen 19.800 A/h arbeitete, setzte Zenith bei der Konstruktion des eigenen Automatik-Chronographen auf atemberaubende 36.000 A/h und ermöglichte so auf die Zehntelsekunde genaue Messungen. Das Lastenheft für die Kaliber 3019 PHC (mit Datum) und 3019 PHF (mit Vollkalender und Mondphasen) enthielt noch weitere ambitionierte Forderungen, die dafür sorgten, dass das Uhrwerk heute noch zeitgemäß, fast modern wirkt. Die relativ geringe Höhe verdankte das Kaliber einer Bauweise, bei der man den Aufzugsmechanismus nicht hinten auf dem Uhrwerk verschraubte, sondern ins Werk integrierte. Wie die Geschichte lehrt, gewann Zenith mit einer hastig vorgezogenen Produktpräsentation am 10. Januar 1969 den Wettlauf gegen Heuer/Breitling und nannte das neue Werk stolz «El Primero».
Die ersten Zenith-Uhren mit dem neuen Kaliber kamen indes nicht vor dem Herbst 1969 in den Handel. Zu diesem Zeitpunkt gab es auf der anderen Seite des Globus schon längst einen Automatik-Chronographen mit der Bezeichnung «Speed Timer» zu kaufen: Seiko hatte im Sommer 1969 die ersten Produktionschargen des neuen Kalibers 6139 fertig. Dabei handelte es sich um ein recht traditionell konstruiertes Werk mit einer dem damaligen Standard entsprechenden Schwingfrequenz von 21.600 A/h, das gleichwohl einige interessante Details aufzuweisen hatte. So verfügte der Chronographen-Mechanismus über eine verlustarme axiale (vertikale) Kupplung, wie sie gerade in den letzten Jahren von vielen Manufakturen wieder als Nonplusultra propagiert wird. Die Funktionen wurden über ein klassisches Schaltrad gesteuert, und der Aufzug (mit Zentralrotor) gab seine Kraft über einen «Magic Lever» genannten Hakenhebel-Mechanismus an das Federhausgetriebe weiter.
Als Edmond Capt 1970 mit der Entwicklung des Kalibers 7750 begann, hatte er freie Hand. Seine Vorgesetzten mussten einsehen, dass sich die alten Valjoux-Baumuster nicht so einfach mit einer Automatik-Gruppe nachrüsten ließen – zu viele Komponenten standen der Energieübertragung vom Rotor zum Federhaus im Weg. Der Konstrukteur verzichtete auf die klassische Kupplungswippe und setzte ein Schwingtrieb ein, das für seine einfache Bauweise sowie die geringe Masse der Komponenten geschätzt wird, und aus Kostengründen sollte eine Kulissenschaltung an die Stelle des Schaltrades treten. Mit 30 mm Durchmesser und 7,9 mm Höhe, ausgestattet mit einem kugelgelagerten Aufzugsrotor und einer Schlagzahl von 28.800 A/h, machte das Kaliber 7750 nach dem Ende der «Quarzkrise» Karriere im Portfolio des fusionierten Uhrwerkeherstellers ETA und hält bis heute den Produktionsrekord für Chronographenwerke: Es dürften einige Millionen zusammengekommen sein in fast 50 Jahren.
Der Archetyp des modernen mechanischen Chronographenwerks mit automatischem Aufzug stammt ebenfalls aus der Feder von Edmond Capt. Er war 1978 zum Uhrwerkehersteller Frédéric Piguet gewechselt, der ebenfalls im Vallée de Joux ansässig war und heute in der Manufacture Blancpain aufgegangen ist. 1988 konstruierte Capt mit dem Kaliber 1185 den bis dato kleinsten Automatik-Chronographen (25,6 mm Durchmesser, 5,55 mm hoch) und setzte mit ausgefeilten technischen Details moderne Standards, die bis heute gelten und von zahlreichen Herstellern übernommen wurden: die vertikale Chronographenkupplung beispielsweise oder der quer über das Werk verlaufende Nullstellhebel für Stunden- und Minutenzähler, der für die charakteristische Zifferblattaufteilung mit der Kleinen Sekunde bei der «6» verantwortlich ist. Das Jaeger-LeCoultre Kaliber 752 hat eine große konstruktive Ähnlichkeit mit dem Frédéric Piguet 1185, ebenso die Automatik-Chronographenwerke von Piaget und Cartier.